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DFG-Projekt: “Theatralität – Theater als kulturelles Modell in den Kulturwissenschaften” Bo 810/14-1 und 2
Teilprojekt: “Theatralisierung und Codierung des Körpers im Modernen Tanz” (Leitung: Hartmut Böhme, Dr. Sabine Huschka)

1 Stelle BAT IIa-O: Dr. Sabine Huschka
1 Stelle studentische Hilfskraft 20 Std. Kathrin Hornig

Unter der Leitperspektive der Theatralität des Körpers werden die beiden bedeu-tensten Choreografen des zeitgenössischer Bühnentanzes in Deutschland, Pina Bausch und William Forsythe, vergleichend un-ter-sucht. Zur Disposition stehen zwei unterschiedliche Ästhetikentwürfe, die auf entgegengesetzte Traditionen des Tanzes rekurrieren: die ra-di-kale Neukonzeption des Balletts durch William Forsythe und die Entwick-lung des Tanztheaters durch Pina Bausch. Untersucht werden ihre jeweiligen Codierungs- und Darstellungs-weisen und die Bewegungstechniken des Körpers. Die von beiden Choreo-grafen vorgenommene Neuordnung der thea-tra-len Mittel werden als selbstreflexive Kon-fi-gurations-wei-sen von Körper-be-we-gung analysiert. In Auseinandersetzung mit den leitenden Ästhetiken der deutschen Tanzforschung wird ein theoretisches Konzept der darstellungsspezifischen Funktionen und Bedeutungen des Tanzkörpers entwickelt.
Zu Grunde gelegt werden Analysen der beiden differenten Be-we-gungsästhetiken, die in ihren phänomenologischen Aspekten charakteristische Motive und stilistischen Eigenheiten zu erkennen geben und in ihrer jeweiligen Konstituierung des Bewegungsmaterials eine profunde Ver-gleichs----ebe-ne bieten. Die Analysen konzentrieren sich bei Pina Bausch auf die Bewegungs-Figur der (Eigen-)Be-rüh-rung, wie sie sich durch ihr gesamtes Werk zieht; in der Ar-beit von William Forsythe auf den Charakter der sensuell gesteuerten Bewe-gungs-improvisation.

(Erste Ergebnisse zeigen, daß die streichelnden und ta-stenden (Eigen-)Berüh-rungen in Bauschs Stücken herausgehobene Momente von objekt-bezogener Kon--taktaufnahme in Gesten gesteigeter Eigenwahrneh-mung darstel-len. Das phänomenologisch verschränk-te „doppelte“ Wahrneh-mungsfeld aus einem berührenden und einem berührten Aspekt mündet so in einen theatralen Code, der das mediale und sensuelle Bezugsfeld von Körper und Umgebung (Büh-nen-raum, Requisiten, andere Körper) bezeichnet. Die mo-tivisch breit vari-ierten Berührungsbewegungen inszenieren einen begehrenden Tanzkörper mit suchenden, sich seiner selbst versichernden Gesten. Eindringlich erscheint der Tanzkörper als medialer Kontaktbereich. Die-se Konzeption des Körpers findet in der charakteristischen Verwendung von Naturmaterialien im Bühnenraum, wie Wasser, Erde, Steine u.ä., ihre Ent-sprechung.
Indessen stellt die Improvisation für Forsythe eine zentrale ästhetische Strategie dar, die codierte Struktur des Balletttheaters in eine performative Fundierung von Ballett zu überführen. Dies gilt in doppel-ter Hinsicht: stilistisch, um den Ballettcode umzuschreiben, und choreogra-phisch, um Stücke mit offener Struktur zu schaffen. Die Improvisationsprozesse zersprengen durch Verschieben, Verdoppeln, Alternierungen u.a. den räumli-chen und figuralen Ordo des Balletts. Die angeleitete und meist gebundene Im-provisation sucht auf das Wissen der Tänzer als gespeichertes Inventar von Körperbewegungen zu rekurieren, mit dem Ziel, dieses Wissen in einen Bereich des Nicht-Wissens zu transzendieren.)




11.06.2004