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Dietmar Kammerer : Dissertation

»Überwachungsbilder – Bilder der Überwachung«

Kurzfassung des Exposés:
Die Arbeit untersucht die kulturellen Praktiken der Videoüberwachung, d.h. als Maschine zur Produktion, Distribution und Interpretation von (Selbst-)Bildern der Gesellschaft. Die technische Einrichtung Videoüberwachung ist zugleich eine soziale: nicht nur wird über ihren Nutzen und Nachteil mehr gestritten, verhandelt und argumentiert, als vergleichweise über andere Technologien politischer und sozialer Kontrolle, sie bringt auch – da sind sich Kritiker wie Befürworter ausnahmsweise einig – soziales Verhalten erst hervor: das ist ihre ausdrückliche Funktion. Gegenstand der Arbeit ist eine rekursive Verflechtung: Bilder (der Kameras), die weitere Bilder (der Gesellschaft von sich selbst) erzeugen, die wiederum soziales Verhalten (von Beobachteten und Beobachtern und Beobachtungsbeobachtern) modellieren, das in weitere Bilder und die Weisen ihrer Erzeugung eingeht … und so weiter.

Während die technische Einrichtung Videoüberwachung in robusten Strategien vorangetrieben wird, blendet die Forschungsliteratur, die sich vorwiegend um Probleme des Datenschutzes, des Schutzes der Privatsphäre und der Effektivität der Kontrolltechnologien dreht, die Frage nach dem Kern der Videoüberwachung weitgehend aus: nach dem Blick und dem Bild.
Diese Arbeit will den Versuch unternehmen, Videoüberwachung von ihrer kulturschaffenden Seite, als Ensemble »materieller und symbolischer Praktiken« zu begreifen. D.h. sie als bestimmte kulturelle Praxis aufzufassen, Bilder zu produzieren, diese in Umlauf zu bringen, mit und auf Bildern Bedeutungen zu erzeugen (oder andere abzuwehren), durch Bilder neue Sachverhalte – und neue Weltwahrnehmung – zu schaffen. »Bilder« meinen hier nicht nur (1) Überwachungsbilder im technisch engeren Sinne, sondern genauso (2) die »Bilder der Überwachung«: die massenmedialen Darstellungen von Videoüberwachung in Hollywoodfilmen oder Reality-TV-Shows, und (3) Gestalten des Handelns, d.h. die je unterschiedlichen Verhaltensweisen von Menschen, deren Lebenswelt unter Beobachtung steht.

Die herrschende Debatte – ob pro, ob contra – geht vor allem von einem aus: dass Videoüberwachung wirksam sei. Wie und wodurch diese Wirksamkeit zustande kommt, wird wenig hinterfragt. Statt die Bildüberwachung auf ihre kriminologischen oder juristischen Aspekte zu befragen, soll sie in dieser Arbeit, die bildtheoretische und medienwissenschaftliche Ansätze miteinander verknüpft, als Ensemble von Akten, Symbolen, Institutionen und Techniken untersucht werden.

Die Arbeit wird sich in fünf Kapitel gliedern:
I. »Das Doppelgesicht von Videoüberwachung« gibt einen Überblick über den Stand der Forschungsliteratur und führt Videoüberwachung als technische wie soziale Einrichtung ein.
II. »Bilder lesen: Grammatik der Videoüberwachung« versucht, mit bildtheoretischen Methoden, eine möglichst detaillierte Beschreibung der Bilder und ihrer besonderen Eigenschaften.
III. »Gesichter lesen« geht auf ein spezielles Überwachungsbild ein: auf die Aufnahme des Gesichtes, und auf seine Funktion in der Geschichte der Verbrecheridentifikation.
IV. »Rhetorik der Überwachung« untersucht die Darstellung der Überwachung in den populären Bildern des Hollywoodfilms, anhand einiger ausgewählter Beispiele.
V. »Die überwachenden & die überwachten Subjekte« wird (mit de Certeau) die Strategien der Überwacher und die »Taktiken« der überwachten Subjekte, wie etwa der »New York Surveillance Camera Players«, miteinander vergleichen.

24.11.2004