In: Wulf, Christoph (Hg.): Vom Menschen. Handbuch der Historischen Anthropologie; München 1996, S. 525–548.

Hartmut Böhme

Gefühle

1. Im Feld der Gefühle

Immer und zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Situation, unter allen Himmeln und in jedem Alter, in allen Kulturen und in jeder Epoche hat jeder Mensch Gefühle. Immer besteht Grund zu fragen: welche Gefühle ich habe, wann ich sie habe, wem sie gelten, wie lange ein Gefühl währt, wie oft es wiederkehrt, an welchen Orten ich es empfinde, wie es sich anfühlt, wo und in welcher Weise ich es am eigenen Leib spüre, warum ich es habe, wozu es dient, ob und wie ich darüber sprechen kann, wie ich Gefühle beurteile, ob ich sie bekämpfe, fördere, mir verbiete, mich ihrer schäme, sie unterdrücke, wie ich sie erkennen und ordnen kann, ob sie mir bewußt oder unbewußt sind ö und tausend Fragen mehr.

Wer lebt, fühlt. Wer nicht fühlt, ist tot, so tatsächlich er noch unter den Lebenden weilen mag. Nicht viele Lebensäußerungen sind ubiquitär und allezeit präsent. Nicht einzelne Gefühle, wohl aber das Fühlen ist fundamental. Wir spüren dies, wir wissen es und, ob wir wollen oder nicht, wir müssen es anerkennen. Wir können wählen, ob wir hier oder dort wohnen wollen, dies oder jenes tun; wir können nicht wählen, ob wir fühlen wollen oder nicht. Selbst der Vorsatz, kalt und unberührt zu sein, löst Gefühle aus. Wir können Gefühle stilisieren und kultivieren, können sie unterdrücken, stimulieren oder künstlich erzeugen, doch wir können nicht entscheiden, nicht mehr zu fühlen. Wir haben Gefühle ö doch in unseren Gefühlen sind wir uns gegeben. Wir sind Subjekt und Objekt zugleich der Gefühle, die wir die unsrigen nennen.

Obwohl es nur eine begrenzte Zahl von Gefühlstypen gibt, beleben und unterhalten sie uns immer neu. In ihren endlosen Reihen und Schattierungen sind die Gefühle, so altvertraut sie uns anmuten mögen, immer frisch. Sie sind dies, weil sie unsere Gegenwart sind. Daß ich hier und jetzt mich fühle und in eben dieser Weise gestimmt bin, macht aus, daß ich mich existierend wahrnehme. Immer gleich, werden Gefühle doch immer neu; altbekannt, kennen wir sie nie genug; immer besprochen, hat keine Sprache sie je erschöpft; wie immer bewacht, entgehen sie doch; so sicher erwartet, überraschen sie stets; selbst im Erinnern präsentieren sie sich je anders.

Dieses Gleitende und Proteushafte der Gefühle, trotz ihrer bekannten Variantenbreite, ist es, was es bis heute so schwer macht, sie zu Objekten des Erkennens zu machen ö vielleicht, weil Gefühle keine Objekte sind. Wohingegen wir in einer Kultur leben, wo als erkannt nur gilt, was objektiviert ist. Haben wir es schon im Alltag nicht leicht mit unseren Gefühlen, so scheint ihr Verhältnis zur Wissenschaft beinahe ironisch: immer wo diese ist, sind jene gerade nicht. Das kann nicht verwundern: wo Affektneutralisierung die Tugend des Wissenden ist, werden sich ihm die Gefühle entziehen, so sehr er sie erkennen möchte. Indessen geht es um dieses Wissen. Seit der Antike zählt die Einsicht in das Leben der Gefühle zu den erstrangigen Erkenntniszielen. Wir können dieses Ziel beinahe so wenig aufgeben wie das Fühlen selbst. Wir fühlen und wir wollen uns über unser Fühlen klar werden.

Doch wo das Wissen ist, ist auch die Uneinigkeit. Das gilt gerade für die Sphäre der Gefühle. Ich wähle als Beispiel die Scham: was ist sie? Ist sie überhaupt ein Gefühl? Manche sagen, sie sei eine körperliche Begleitreaktion eines Gefühls, nämlich der Schuld, oder eines Versagens oder einer Schwäche. Aber ist Schuld ein Gefühl? Unterscheiden wir nicht zurecht zwischen Schuld, die bestehen kann, ohne sie zu empfinden, und Schuldgefühlen, von denen wir durch und durch erfüllt sind? Und gewiß gibt es auch Schuldgefühle, ohne daß wir uns ihrer schämen. Schon gerät die erste Definition ins Schwimmen.

Ferner bemerken wir, daß wir uns oft schämen, ohne uns schuldig zu fühlen. Das heißt: einmal können wir die Schuld weiter fassen als die Scham, zum anderen ist die Scham weiter erstreckt als die Schuld. Es wird nicht besser, wenn wir als vermittelnden Begriff 'das Gewissen' einzuschieben versuchen, der die Brüche zwischen Schuldurteil, Schuldgefühl und Scham überwinden soll. Aber: wir können ein schlechtes Gewissen haben, ohne uns zu schämen. Umgekehrt sagt jemand zu uns, wir sollten uns schämen ö doch wir empfinden nichts dergleichen. Kurz: es gelingt nicht, Scham und Schuld, die durchaus zusammenhängen können, strukturell oder genetisch miteinander zu verbinden.

Einer anderen Auffassung zufolge ist Scham ein Fundamentalgefühl, das mit der Nacktheit des Menschen zusammenhängt. Scham sei ein Gefühl peinlicher Entblößung. Nacktsein ist jedoch nicht automatisch beschämend. Es kann ersehnt, erwünscht, selbstverständlich oder neutralisiert sein und löst dann keine Scham aus. Darum ist Scham nicht ein 'Fundamentalgefühl' des nackten Menschen. Weder schützt Kleidung vor Scham, noch muß Nacktheit beschämen.

Darum sagen andere Forscher: Scham wird in Situationen gelernt, welche Kulturen, in gänzlich verschiedenen Maßstäben, als beschämend bewerten. Ist Scham hier definiert als abhängige Variable von sozialen Situationen, so wird sie damit als Verhalten gedeutet. Dagegen läßt sich einwenden, daß die Scham zwar kulturell variiert, jedoch keine Kultur bekannt ist, die nicht Scham- und Peinlichkeitsgefühle kennt. Ferner gibt es in einer gegebenen Kultur keine zwingende Verbindung zwischen beschämender Situation und Scham. Es sind regelmäßige oder auch normative Bindungen zwischen Situationen und Scham auszumachen, immer jedoch gibt es Individuen oder Gruppen, für welche diese Bindungen unwirksam sind. Also müssen wir resümieren, daß es weder zwischen Nacktheit und Scham, noch zwischen beschämenden Situationen und dem aktuellen Selbstempfinden eine ontologisch oder sozial zwingende Verbindung gibt.

Oder: jemand schämt sich in einer beschämenden Situation nicht, während aber sich andere 'für ihn' schämen. Das wirft die Frage der Lokalisierung der Scham auf. Sie kann gerade 'dort' nicht empfunden werden, wo sie zu erwarten wäre, während sie wiederum empfunden wird, wo sie nur 'stellvertreten' wird. Wie aber ist das möglich ö sich 'für jemanden' schämen? Ist die Scham ein imaginäres Gefühl: ich an seiner Stelle 'würde' mich schämen? Oder 'versetze ich mich in den anderen' und empfinde die Scham 'an seiner Stelle' ö und doch bei mir? Oder schäme ich mich für den anderen, weil er sich nicht schämt, sozusagen für die 'Lücke', die sich in seinem Nicht-Empfinden auftut? Ist also die Nicht-Scham des einen eine Peinlichkeit für den anderen? Oder ist Scham eine räumlich spürbare Atmosphäre, die sich beklemmend auch über diejenigen legt, welche keinen Grund zur Scham haben, sie aber 'mit'empfinden? Aber wenn es beschämende, räumliche Atmosphären gibt: wie kommt es, daß man diese Beschämung empfinden kann, während man gleichzeitig z.B. heiter oder traurig sein mag, mithin in deutlicher Abhebung zur eigenen Gestimmtheit?

Offenbar gibt es zwischen Gefühlen und atmosphärischen Räumlichkeiten Beziehungen, die ebenfalls weder kulturell selbstverständlich noch phänomenologisch zwingend sind. Viele Forscher würden überhaupt die Beziehung zwischen Gefühlen und räumlichen Atmosphären als bloße Projektion abtun, zumindest für nicht analysierbar halten. So bemerken wir mancherlei Korrelationen zwischen Nacktheit, Kleidung, Entblößung, Scham, Situationen, Atmosphären, Normen. Doch hätten wir größte Mühe, diese Beziehungen in einen theoretischen Zusammenhang zu bringen. Dies wird auch nicht besser, wenn wir körperliche Indizes zum Ausgang wählen: etwa die Schamröte. Spontane Gesichtsrötungen müssen keineswegs Scham 'anzeigen', während umgekehrt Scham empfunden und auch einem Beobachter erkennbar sein kann, ohne daß Schamröte auftritt. Wir könnten dies physiologisch verfeinern, etwa Herzschlag, Blutdruck, Hauttemperatur, Hirnstromverläufe messen ö und würden doch immer nur hypothetisch sagen können, daß diese Datenmengen 'Scham bedeuten'. Am Körper eines anderen 'abgelesen', wissen wir es nie genau. Doch wer sich schämt, spürt mit absoluter Gewißheit: 'ich schäme mich'. Der Satz: 'Er schämt sich' behält immer hermeneutische Unbestimmtheiten.

Daraus folgern wieder andere Forscher, daß die Scham, die empfunden wird, erschlossen werden muß von demjenigen her, der sie empfindet. Also wäre die Selbstwahrnehmung die Quelle der Erkenntnis. Doch was meint Selbstwahrnehmung? Ist damit die Introspektion gemeint, die Innensicht der Seele, die zwar im Modus der Zeit, nicht aber des Raumes gegeben ist? Ist Selbstreflexion gemeint? Oder Bewußtsein? Oder eigenleibliches Spüren, was heißen könnte: dasjenige, was z.B. in heißen Wellen mich überflutet, mich zugleich beklemmend zusammenziehen läßt und einen Impuls 'Weg von hier!' auslöst, indem ich das 'Hier-da-Sein' in heißer Qual empfinde: ist dieses lodernde und peinliche Gegenwärtigsein im Leib Scham?. Wir bemerken, daß die Quellen, die für die 'Selbstwahrnehmung' genannt wurden, außerordentlich voraussetzungsreich sind (die ganze Philosophiegeschichte hängt daran). Es ist mithin auch hier umstritten, was als authentischer Zugang zur Erkenntnis der Gefühle gelten darf.

Diese Annäherung rät zur Vorsicht: jeder Satz, der über Gefühle gesagt wird, ist von Traditionen getragen, aber auch belastet, und in jedem Fall strittig. Ich ziehe daraus den Schluß, daß es im folgenden nicht um eine Vorstellung eines Tableaus von Gefühlstypen, nicht um die Analyse einzelner Gefühle, auch nicht um das Referat vorhandener Forschungsansätze gehen kann. Vielmehr werden in allen Abschnitten die theoretischen und historischen Probleme reflektiert, die sich hinsichtlich der Erkenntnis von Gefühlen stellen. Dabei wird nicht der Weg eines bloßen Dokumentierens gegangen, sondern es werden zunehmend die Richtungen dargestellt, in denen mir die Erforschung von Gefühlen als sinnvoll erscheint.
 

2. Unklare Forschungslage und tradierte Vorurteile

Affekte, Gefühle, Antriebe, Regungen, Stimmungen, Leidenschaften, Emotionen, seelische Motive, Empfindungen, psychische Prozesse ö schon das Begriffsdilemma ist erheblich und in der Forschung wird allenthalben "die Konturlosigkeit des Gegenstadsgebietes Emotionen"ausgemacht (Gerhards 1988, 9, vgl. Traxel 1983, Debus 1988, 97f, so schon Nahlowsky 1862,1). Mit Gefühlen beschäftigen sich viele Wissenschaften, wie die Psychologie, besonders die Emotionspsychologie, die Psychoanalyse, die Anthropologie in pragmatischer, empirischer wie historischer Absicht, die Philosophie, die Phänomenologie, die Psychiatrie, aber auch Wissenschaften, deren Gegenstände enge Beziehungen zu emotionalen Prozessen aufweisen, wie die Literatur-, Theater-, Musik- und Kunstwissenschaften, neuerdings auch die Medienwissenschaft, insbesondere, wenn es um Wirkungsforschung geht, selbstverständlich aber auch die Ethnologie, zu deren älteren Forschungszweigen die 'Vergleichende Völkerpsychologie' gehörte; ferner die Linguistik, wenn sie sich der psychischen Dimension der Sprache (Psycholinguistik) oder dem Gefühlswortschatz und seinem historischen Wandel in den verschiedenen Sprachen zuwendet (historische Semantik); nicht zuletzt die historische Verhaltensforschung und Mentalitätsgeschichte, die Religionswissenschaft, die Soziologie usw. Es ist sicher, daß all diese Wissenschaften, wenn sie von Emotionen reden, nicht dasselbe meinen. Notwendig wären daher Untersuchungen zur historischen Semantik, zur Begriffsgeschichte und zur Phänomenologie der Gefühle, um ein gemeinsames Fundament von Kriterien, Terminologien und Axiomen zu legen, welche das disziplinär zersplitterte Feld integrieren könnten. Es ist unwahrscheinlich, daß dies gelingt. Die wohl einzige systematisch durchgeführte Phänomenologie der Gefühle und angrenzender Phänomene, wie sie Hermann Schmitz vorgelegt hat (1965, 1969, 1992), bietet sich zwar als Grundlage an, zumal sie auch im Feld der historischen Semantik wichtige Studien enthält ö besonders für den kulturgeschichtlich grundlegenden anthropologischen Bruch in der Antike. Doch gerade diese klare und umfassende, keinerlei emotionale Regung ausschließende Phänomenologie stellt eine minderheitliche Position dar, deren Anerkennung zwar langsam wächst, aber vorläufig wenig Chance hat, die Basis einzelwissenschaftlicher und interdisziplinärer Ansätze zur Gefühls-Forschung zu werden. Emotionspsychologische Standardwerke wie die von Euler & Mandl (1983), Ulich (1982/89) und Eckensberger & Lantermann (1985) oder die emotionssoziologischen Arbeiten z.B. von Gerhards (1988) und Luhmann (1982) haben die Untersuchungen von Schmitz nicht einmal bibliographisch erfaßt. Die Emotionspsychologie selbst ö für den angloamerikanischen wie deutschsprachigen Bereich ist Izard (zuerst 1977) grundlegend geworden ö kann zu einer Integration der unterschiedlichen humanwissenschaftlichen Ansätze wenig beitragen, weil ihr die Einsicht in die historische Genese von Gefühlen fehlt. Sie behandelt Gefühle nur funktional im Kontext von Interaktion, Kommunikation und Kognition unter zumeist behaviouristischen, lern- und motivationstheoretischen, im besten Fall handlungstheoretischen Perspektiven, im allgemeinen unter Bedingungen experimentell-analytischer Beobachtung und Skalierung. Unabhängig vom empirisch-analytischen Erkenntnisgewinn, den die Emotionspsychologie im einzelnen bietet, und ihres nicht unumstrittenen klinisch-therapeutischen Effekts entgehen ihr vier der wichtigsten Erkenntnisquellen für das Verständnis von Gefühlen: die Kultur- und Zivilisationsgeschichte (beispielhaft Elias 1936/76; Delumeau 1978/85, zur Lippe 1974, Muchembled 1990, Lambrecht 1994), die historisch-semantischen, literarischen und imagologischen Dimensionen von Gefühlen (z.B. Klibansky/ Panofsky/ Saxl 1964/90, Mog 1976, Schings 1977, Begemann 1987, Jäger 1988, Wegmann 1988), die Geschichte des Unbewußten und damit die gesamte Psychoanalyse (Ellenberger 1961/73; beispielhaft für einzelne Gefühle wie Scham: Wurmser 1990) und das Gewahrwerden der Gefühle am eigenen Leibe (neben Schmitz z.B. Sartre 1943/ 1962, Tellenbach 1968, zur Lippe 1987, G. Böhme 1984, Hauskeller 1995).

Das Vorherrschen der Auffassung, wonach Gefühle in irgendeinem Inneren des Menschen ablaufen und 'außen' am kommunikativen Verhalten beobachtbar sind, hat mehr als wissenschaftsinterne Gründe. In den westlichen Kulturen ist es eine 2500 Jahre alte Überzeugung, daß Gefühle einen raumlosen Ort haben, nämlich die Seele. Sie soll der immaterielle Quell der Gefühle sein ö im Bruch einerseits zu den materiellen Vorgängen des Körpers, dessen appetitive Regungen sich handgreiflich äußern, andererseits zum Geist, dessen zwar ebenfalls immatierelle Tätigkeiten, die Kognitionen, in doppelter Unabhängigkeit zu Körper wie Seele erfolgen, dafür aber des Zugangs zum 'Leben' ermangeln. Trotz ihrer pneumatischen Ungreifbarkeit soll gerade die Seele, die fühlt, einen privilegierten Zugang zum Leben haben. Denn, wie die Alten sagten, sie sei der Sitz der vis vitalis; was nichts anderes sagt als z.B. noch Agnes Heller (1980) und nach ihr viele Emotionspsychologen, die ebenso abstrakt wie unpräzis formulieren, daß Gefühle ö also das Seelische ö die Kraft seien, die uns involvierten, also 'ins Leben verwickeln'.

Die Anthropologie des 18. Jahrhunderts (vgl. Schings 1994), die sich noch in scharfer Auseinandersetzung zum Cartesianismus zu bilden hatte, wußte genauer als viele heutige Wissenschaftler, welches Problem man mit einem solchen immaterialistisch gefaßten Seelen-Begriff einhandelte: nämlich dasjenige des commercium mentis et corporis (wenn wir hier mens als Geist und Seele umfassenden Ausdruck nehmen dürfen). Der Mensch war Bürger zweier Welten ö und er ist es, achtet man auf die stillschweigenden philosophischen Implikate der konstruktivistischen oder kognitivistischen Emotionspsychologien, noch immer. Wie kommen Gefühle aus der Enklave der Seele 'heraus' ö wenn sie zwar in ihr entspringen und ablaufen, doch aber leiblich sich 'ausdrücken', auf andere 'gerichtet' und 'übertragen' oder gar auf beliebige Objekte 'projiziert' werden sollen? Und wie kommen Gefühle in die Seele 'hinein' ö wenn Gefühle lebensgeschichtlich erworben, in materiell-sozialen Situationen gelernt, in Institutionen programmiert und fabriziert, und dennoch irgendwie 'introjiziert' und dabei von geprägten Formen zu einem individuellen Fühlen des unverwechselbaren Ich transformiert werden sollen? Kurz: man hat das alte Problem des Hiatus von (materiell-raumhaftem) 'Außen' und (immateriell-raumlosen) 'Innen' geerbt mit einer unbestimmten, aber prinzipiellen Grenze dazwischen, mit kleinem Grenzverkehr und geregeltem Austausch. Diese Dynamik von Innen und Außen wird mit Begriffen wie 'Ausdruck', 'Introjektion', 'Projektion' u.a. belegt, auch mit Befestigungs- und Kontrollorganen besetzt ('Zensur', 'Abwehr', 'Aus-' und 'Abgrenzung') oder wiederum 'übersetzt', indem zwischen Innen und Außen ein Drittes, nämlich die Zeichen, vermitteln, Zeichen des Somatischen (z.B. physio- und pathognomische) oder des Sprachlichen. Man muß notwendigerweise Theorien einer in entgegengesetzte Richtungen verlaufenden Somatisierung erfinden, weil, wie es scheint, seelische Prozesse sich 'verkörpern' oder, umgekehrt, Strukturen oder Handlungen der materiellen Welt 'einverleibt' und dadurch seelisch 'traumatisierend' werden können (zur Geschichte der Seele vgl. Putscher 1973, Jüttemann 1986, Jüttemann/ Sonntag/ Wulf 1991).

Das Commercium-Problem hat, seit man es erkannte ö bei Platon zuerst und dann seit Descartes (1641/1960) ö eine Reihe von 'Übersetzungs'-Wissenschaften auf den Plan gerufen. Sie alle zehren von der ebenso zweifelhaften wie wundertätigen Voraussetzung, daß Zustände auf unterschiedlichen Ebenen, der Seele und des Körpers, ineinander übersetzt werden können. Anderenfalls ginge ö was zu vermeiden die zweite Voraussetzung aller Emotionspsychologien ist ö ein irreparabler Riß durch den Menschen. Im ersten Schritt konstruiert man eine "dualistische Anthropologie", wie Schmitz die Konzepte von Leib und Seele in platonisch-cartesianischer Folge charakterisiert, und im zweiten soll dieser Dualismus durch Übersetzungstechniken wieder gemildert werden: es ist das paradoxe Unterfangen, daß der zerrissene Mensch doch ein ganzer sein soll. Dieser Widerspruch prägte sich einer Reihe von Wissenschaften auf, deren Wurzeln durchweg im 18. Jahrhundert liegen: die Semiotik der Seele und des Körpers (zuletzt H. Böhme 1988, Herzog 1991, Posner 1994); die Hermeneutik des Ausdrucks; die Zeichenlesekunst von der Zeremonialwissenschaft bis zur Kriminalistik; die Physiognomik nicht erst seit Lavaters Zeiten (Physiognomische Fragmente, 4. Bde.1775-78), sondern seit der Antike (zuletzt Gray 1991, Shookmann 1993, Saltzwedel 1993, Borrmann 1994, Schmölders 1995); die spätere Ausdruckspsychologie, wie sie mit Charles Darwin (1872/ 1986) auf die Bahn kam; die Psychosomatik, die semiotische Medizin; die Theorien der symbolischen Formen, aber auch die konstruktivistischen Ansätze, für welche die Einkörperung und Entkörperung von sozialen, psychischen, symbolischen oder kognitiven Strukturen entscheidend ist. Besonders eindrucksvoll ist der Fall der Psychanalyse, die im Bewußtsein praktiziert, sie selbst sei die dritte der von Freud (1916/ 1982, Bd.I, 283/4) aufgezählten großen narzißtischen Kränkungen (nach dem kopernikanischen und darwinistischen Schock), während sie doch ihre eigene Kränkung noch nicht verstanden hat, daß es die 'Seele', welche sie voraussetzt, gar nicht gibt. All diese Wissenschaften stehen im Bann des anthropologischen Dualismus und sind, ob sie wollen oder nicht, 'hermeneutisch' in dem Sinn, daß sie Theorien der Übersetzung von Körperlichem und Seelischen und vice versa darstellen.

Wie, wenn es gar nichts zu übersetzen gäbe? Wenn Seele und Leib, Bedeutung und Zeichen, Innen und Außen sich überhaupt nicht als zwei Imperien am Menschen zeigten, die miteinander mühselig durch Begriffs-Diplomatie in Beziehung und Austausch gebracht werden müßten? Wenn dieser Dualismus ein historisches Konstrukt wäre, dessen kulturelle Selbstverständlichkeit erklärt und überwunden werden kann? Wenn dadurch ein Abschied von einer jahrtausendelangen Tradition möglich würde, der als Befreiung und Chance zu einer neuen Kultur des Erlebens und Wahrnehmens von Leib und Gefühlen genommen werden sollte?
 

3. Anthropologischer Dualismus und Entkörperung der Gefühle

Es gibt historische Gründe für die Erfindung des Seeleninnenraums, der uns zur zweiten Natur geworden zu sein scheint. Diese Gründe hat H. Schmitz (1967, 365-504; 1969, 403-520) durch umfangreiche Analysen der semantischen Felder gefühlsbezogener Ausdrücke erläutert. Er hat deutlich gemacht, daß im Zeitalter der großen Tragiker und ersten Philosophen die griechische Kultur eine entscheidende, historisch weitreichende Umcodierung im Verständnis der Gefühle vorgenommen hat. In der homerischen Zeit und teilweise noch bei den Tragikern herrschte folgende Vorstellung: alle Gefühle waren leiblich; sie wiesen differenzierte räumliche Formen und Richtungen auf (wodurch sie sich unterschieden als Zorn, Mut, Angst, Eros etc.); sie wurden als Mächte verstanden, die den Fühlenden unwiderstehlich ergreifen und durchwirken (weswegen der Fühlende den Gefühlen gegenüber in eine eigentümlich exzentrische und passive Position geriet). Schließlich stellten das Dämonische, Numinose und Theurgische eben diese Gefühlsmächte dar. Es gab keine Interiorisierung von Gefühlen, kein Seelengehäuse mit eigenem autonomen Haushalt. In dieser Auffassung sieht Schmitz eine Erfahrung und ein Verständnis von Gefühlen aufgehoben, wie sie den phänomenologischen Befunden weitgehend entsprächen.

Mit der ersten, griechischen Aufklärung ist indessen ein Umschwung zu beobachten: immer mehr kommt es auf die Handhabbarkeit der Gefühle an, darauf, daß man Gefühle zwar hat, aber beherrscht, daß Instanzen im Ich aufgebaut werden, welche Abstände zu den Gefühlsmächten markieren und Zonen der Besonnenheit und Ermächtigung bilden. Abgezielt wurde jetzt darauf, daß jene Preisgabe an Gefühle, die nicht etwa nur die Schwachen, sondern auch die Helden kennzeichnete, gebrochen wird zugunsten eine Art Einhegung und Hortung. Es ging also darum, jene porösen Ich-Strukturen zu schließen und zu befestigen, die den Menschen sonst dem Gewoge der Weltkräfte (wozu die Gefühlsmächte ebenso gehörten wie Kräfte der Natur) auslieferten und zum offenen Schauplatz der Gefühlsereignisse machten. Das war die strategische Funktion zur Erfindung der Seele: sie wurde der absolute (also der aus der Welt herausgenommene) Raum, in welchen die Gefühle implantiert wurden, mittels Verinnerlichung oder Introjektion. Der Gewinn war außerordentlich und kulturprägend bis heute: die Macht der Gefühle wurde entmythologisiert; sie wurden zu seelischen Regungen verinnerlicht, die Seele selbst aber ö umso mehr die Vernunft ö wurde prinzipiell autonom und folglich dazu aufgerufen, die Regie für die Gefühle zu übernehmen. Personalität wurde erzeugt und ermächtigt, die Zügel des Seelenwagens ö wie Platon die Seelenkräfte in ein dynamisches Bild faßte (Phaidros 246a-d, 253c-54e) ö zu ergreifen, um das Mitgerissensein durch Gefühle zu kappen. So wurde die Macht der Gefühle und der leiblichen Regungen gebrochen; sie wurden angeeignet und dem autonomen Reich der Seele eingemeindet. Sie wurden damit sozialisierbar und zivilisiert. Das Drei-Schichten-Modell war geboren: Leib ö Seele ö Geist mit einem scharfen Schnitt zwischen Leib einerseits und Seele/Geist andererseits.

Dieser historisch gewaltige Gewinn an Autonomie und Distanzierungsfähigkeit hatte ein falsches Verständnis der Gefühle, deren Räumlichkeit in der Introjektion verdeckt wurde, zur Kehrseite. Und zudem wurde eine Hierarchisierung errichtet, in der das Leibliche als das Niedrige galt, dessen widerborstige Macht zu brechen war. Das Christentum bedurfte dieser Hierarchisierung und verschärfte sie, um daraus die Zwei-Welten-Lehre (spätestens mit Augustins "De civitate dei"; 413-426/7, 1914) zu entwickeln und eine theologische Handhabe zur Beherrschung des Fleisches und der Leidenschaften zu gewinnen. Die säkulare Moral der Neuzeit wurde zur Erbin der Theologie: als Medium der Universalisierung des Willens hatte fortan die Moral die Stillstellung der Macht der Gefühle zur Voraussetzung. Beide, christliche Theologie und säkulare Moral, verdanken sich antiken Philosophien über den Aufbau des Menschen. Platon hatte zuerst Gefühle zu Stimmen im inneren Gespräch der Seele mit sich selbst erklärt (Platon: Sophistes 263a). Sie wurden damit zu Elementen der dianoia in moralischen Diskursen, zu Signifikanten des Bewußtseins. Dieses war die Reflexionsbühne, auf der die zu Maximen verwandelten Gefühle vor den Schranken des "inneren Gerichtshofes" (= Gewissen) sich zu legitimieren und dem Spruch der richtenden Vernunft zu unterwerfen hatten ö so brachte Kant die inneren Dynamiken des aufgeklärten Subjekts in ein anschauliches Bild. Indem Kant den Menschen ein "doppeltes Selbst", eine "zweifache Persönlichkeit" zuschrieb (Metaphysik der Sitten, II.Teil, 1797, A39, 99-102,271), wiederholte er in juridischer Sprache die uralte Entscheidung aus dem 6. und 5. vorchristlichen Jahrhundert. Es ist seither ein Zeichen (männlicher) Stärke und ein Zeichen von Kultiviertheit, Gefühle temperieren zu können, sie den Strategien des handelnden Ich zu unterwerfen oder in diese zu integrieren. Während es als weiblich und schwach, als barbarisch (vulgär, bäurisch, proletarisch) oder gar sündig, jedenfalls als unmoralisch galt, seinen Gefühlen zu 'unterliegen'.

Ein weiterer Grund für die Entkörperung der Gefühle und deren Verseelung war, daß ö in vielen Kulturen ö die Seele im Dienst der Todesabwehr stand. Ihre Raumlosigkeit erlaubte den Gedanken, daß sie ö im Moment des Todes ö sich vom Körper trennen und in die Unsterblichkeit eingehen könne (auch dies findet man schon bei Platon: z.B. Phaidros 245 cff). Man kennt die mittelalterlichen Bilder, auf denen Sterbenden ein hauchförmiges Seelenmenschlein aus dem Mund entflieht: so hauchte man das Leben aus, um doch gerettet zu werden. Es ist eine bittere Zumutung, daß wir leben, solange wir leiblich sind und fühlen, und daß alle Gefühlshauche, an diesen einen Leib hier und jetzt gebunden, mit diesem vergehen. Daraus schöpfte Epikur den antiphobischen Trost, daß uns der Tod nichts angehe, weil er, solange wir fühlten, abwesend sei, und wenn er anwesend wäre, wir nicht mehr fühlten (Epikur: 2. Lehrsatz). Das feinstoffliche (gr.) pneuma, die (gr.) psyche, die (lat.) anima und spiritus, der (hebr.) ruach, der Lebenshauch sind etymologisch noch mit der älteren Auffassung der leiblich spürbaren Wind- und Wetterhaftigkeit der Gefühle (s.u.) verbunden, wurden aber im Zuge der Todesabwehr, der Introjektion und der Spiritualisierung der Seele entkörpert und ihres Windcharakters beraubt. Das deutsche Wort 'Seele' geht auf 'seola', 'saivs', 'saiwala' zurück, was vermutlich fälschlich als 'See' gedeutet und von Grimm vorbehaltlich (Wörterbuch XV, 2851ff) als wogende und flutende Kraft gefaßt wurde: immerhin ist darin die Spur lesbar, wonach Gefühle durchwirkende räumliche Mächte sind, nicht innerseelische Qualitäten. Das entspricht der Windnatur der gr.-lat.-hebr. Wortstämme für Seele.

Von der ersten, griechischen Aufklärung sind zwei Erbstücke geblieben, die Leitlinien der folgenden Darstellung sind: dies ist zum einen die Frage, die mit der Verdeckung der Räumlichkeit der Gefühle zusammenhängt und bis heute zum Mißverstehen der Gefühle geführt hat (dies berührt die 'Kultur der Gefühle'); und es ist zum anderen der Punkt der Introjektion der Gefühle, von wo aus die Geschichte ihrer Zivilisierung zu betrachten ist (dies betrifft die 'Moralisierung der Gefühle').
 

4. Gegenströmungen: leibliche Fundierung der Gefühle

Der junge Johann Gottfried Herder beschäftigte sich, in reger Auseinandersetzung mit älterem und neuestem Schrifttum philosophischer, theologischer und medizinischer Provenienz, mit einer (nachgelassenen) "Philosophie des Gefühls überhaupt" (1769, hg. Irmscher 1960, 282), worin sich der berühmte Doppelausruf findet: "Ich fühle mich! Ich bin!" (ebd. 287; vgl. Herder 1769/ 1994, 236). Dies ist der sensualistische Einspruch gegen das aus dem Denken erschlossene Sein des Descartes im "Cogito ergo sum" (1641/1960, II. Meditation). Dieser Indirektheit des Daseins wird jenes unmittelbare Gefühl entgegengehalten, mit dem instantiell sich das Dasein gewiß wird. Die Parataxe der beiden Ausrufe ist dieser unlöslichen Synchronizität von Fühlen und Sein geschuldet, die bei Descartes, im Zeichen der Entfremdung vom Leibe, durch die Hypotaxe sequentiell verzerrt und auf die falsche Ebene verschoben wird: für das Denken ist das Dasein immer nur ein Referent. Tatsächlich handelt es sich um mehr als um den historischen Gegensatz zwischen Cartesianern und Sensualisten, nämlich um die Wiederauflage des Gegensatzes, den Platon im Verhältnis zu den Vorsokratikern eröffnet hat und den die epikureische Philosophie wiederum (auch in späteren kryptischen Überlieferungen der Renaissance und des 17./18. Jahrhunderts) gegen die platonisch-parmenideische Linie der Identifikation von Sein und Denken kehrte.

Was aber meint Herder mit 'Fühlen'? Er meint nicht Gefühle im Sinne der Emotionspsychologie, sondern sinnliches Spüren. Daher gilt: "Die Welt eines Fühlenden ist blos [sic!] eine Welt der unmittelbaren Gegenwart." (ebd.) Noch näher kommen wir dem Herderschen Verständnis, wenn wir realisieren, daß Herder damit ein Spüren des Daseins meint, das weder über das Denken, noch über den Königssinn des Auges erfolgt. Herder spricht in Anknüpfung an die seinerzeit verbreitete anthropologische Diskussion über Blindgeborene (zuerst Locke 1689/1988, I,162f; zentral: Diderot 1749/1984, I,51-110; dazu: Davis 1960, Utz 1990, 19ff). Der Doppel-Ausruf ist der eines Blinden, der gleichwohl voll und ganz seines Daseins inne ist. Er ist dies, weil 'Fühlen' für Herder das 'Spüren' und 'Tasten' von Substanzen meint, es also um den Sinn geht, der ö im Gegensatz zum Auge ö die Körper in ihrer Körperlichkeit erschließt. Herder ist, wie in seiner späteren Schrift "Plastik" (1768-70), hier schon auf den pygmalionischen Effekt aus: die Frage, wodurch die animierte Statue sich ihrer selbst spürend inne und gewiß wird, wodurch sie also lebt (Mülder-Bach 1994). "Ich fühle mich! Ich bin!" ö das meint: das Sein ist selbstevident im eigenleiblichen Spüren 'da', 'hier', 'jetzt', 'dieses', 'ich'. Herder meint genau diese fünf Momente, die Schmitz als die im eigenleiblichen Spüren eröffnete Gegenwart phänomenologisch analysiert hat (1964, 207-32).

Von hier aus eröffnet sich ein anderer Weg zum Verständnis von 'Gefühl'. Aufschlußreich ist dabei die semantische Nähe von 'Gefühl' und 'Tasten' ('Spüren'). Es ist davon auszugehen, daß ältere Sprachstufen im Wortfeld 'Fühlen' als Indizes von historischen Auffassungen über Gefühle zu verstehen sind. Wenn dies so ist, dann gilt für den Zeitraum, in welchem das Wort Gefühl sich im Deutschen durchsetzt (17. u. 18. Jahrhundert): das 'Gefühl' war zunächst noch nicht von der seit der Epoche der "Empfindsamkeit" herrschenden Strategie der Psychologisierung leiblicher Phänomene erfaßt, sondern wurde im Sinne von lat. sensus und tactus verstanden, als sinnliches Empfindungsvermögen und Berührung. Auch 'Sentiment' oder 'Sensibilität' wahren ihre leibliche Herkunft aus lat. sentire/ sensus noch bis ins 18. Jahrhundert. Nicht nur bei Herder, sondern bei vielen Literaten und Gelehrten finden sich Zeugnisse, wonach das Taktile zum Modell für Fühlen überhaupt und für Empfindungen auch der übrigen Sinne genommen wurde. Wenn Voltaire von den tastenden "Händen der Erfahrung" spricht, so meint er damit sinnliche Erfahrung überhaupt (nach Utz 1990, 20). Alle Gefühle sind ein Berührtwerden oder Ertasten. Zedlers Universal-Lexicon (1735, Bd.9, Sp.2225ff) behandelt im Artikel über "Fühlen, Gefühl" überhaupt keine seelischen Emotionen im heutigen Sinn, sondern ausschließlich den "über den ganzen Leib" ausgebreiteten Sinn des Selbstgefühls sowie die Wahrnehmungen der fünf Sinne, wobei auch hier der Tastsinn führend ist: alle Wahrnehmungen sind Kontaktwahrnehmungen. Wenn Herder sagt: "dieses zarte Gefühl der Hände ist in seinem (=des Menschen) Körper verbreitet" (Herder: Ideen 1784-91/1989, 137), so interpretiert er, ganz auf dieser Linie, den sensus communis, das sog. Gemeingefühl, das phänomenologisch als das eigenleibliche Spüren zu verstehen ist, ebenfalls im Modell des Tastsinns. Der sensus communis ist die "unmittelbare Gegenwart" des sich selbst leiblich Gewahr-Seins, worin Fühlen und Dasein konvergieren; er ist noch nicht der 'Gemeinsinn', der im Individuum die lebhaft gespürte Zugehörigkeit zu einer politischen oder sozialen Gemeinschaft anzeigt oder eine Kultur der geistvollen Geselligkeit meint, wie bei Shaftesbury (1709/1990, 321ff).

Im allgemeinen wurde Gefühl körperlich, Empfindung eher geistig konnotiert, wobei nach 1750 eine Konfundierung beider Ausdrücke beginnt, so daß mal Gefühl, mal Empfindung für sensorische oder psychische Empfänglichkeit benutzt werden konnte. Die Herkunft des Wortes Gefühl aus dem eigenleiblichen Spüren aber wahrt den Zusammenhang von Gefühlen mit dem Leiblichen auch dann noch, wenn Gefühle zunehmend als seelisches Erlebnis verstanden wurden. 'Seelisch' waren eher die inneren Repräsentanten (die 'Vorstellungen') der leiblichen Gefühle, während heute das Verhältnis umgekehrt ist: 'Emotionen' sind primär innere (seelische) Abläufe, die von körperlichen Symptomen (wie Herzklopfen, Schamröte, weiche Knie) 'begleitet' werden. Beides zusammen, die seelisch-körperlichen Emotionsabläufe werden behaviouristisch oder handlungstheoretisch als 'Verhalten' oder 'Interaktion' verstanden, wodurch der Konnex von Gefühl und Leiblichkeit endgültig zerrissen ist. Dabei ist die Grundbedeutung von 'Emotion', das von lat. motus, motio herrührt und auch hier vor allem körperliche Bewegung meint, verlassen.

Die Psychologisierung und Moralisierung (i. S. v. Pragmatik) der Gefühle wird im 18. Jahrhundert vorbereitet, das ö ebenso wie das 6. und 5. vorchristliche Jahrhundert ö einen entscheidenden Einschnitt in der Geschichte des Leibes und der Gefühle darstellt. Empfindsamkeit, Sturm und Drang, Klassik und Romantik treiben literatursprachlich die Differenzierung und Verseelung der Gefühle voran. Dabei ist entscheidend, daß Gefühle als ö positiver wie negativer ö Ausweis der individuellen Besonderheit und Authentizität gelten: dadurch werden sämtliche Gefühle einem Ich zugerechnet. Das Ich wird für seine Gefühle zuständig und verantwortlich und muß notwendigerweise Kompetenzen entwickeln, wie es zu einer reflexiven Distanzierung der Gefühle, zu ihrer Temperierung und normativen Stilisierung gelangen kann. Symptomatisch dafür ist die gesamteuropäische Karriere, welche die von Shaftesbury (1708, 1709, 1990, 5ff,41ff) und Hutcheson (1726/1986, 17ff) zuerst erfundenen moral senses/ feelings, die moralischen Gefühle im 18. Jahrhundert durchlaufen. Im Spannungsverhältnis von Begehrungen und Gefühlen einerseits und dem moralisch Gebotenen andererseits galt es, in der Sphäre der Gefühle selbst solche Empfindungen auszuzeichnen, welche 'von sich aus' eine 'Neigung' zur Erfüllung moralischer Pflichten aufweisen. Gesellschaftlicher Takt, Anstandsgefühl, Mitleid, mitmenschliche Gefühle, Pflichtgefühle, besonders das Gewissen als 'innere Stimme' der Moral im 'Reich der Sinne' ö diese neuen Gefühltstypen markieren eine sittliche Stilisierung des zuvor weitgehend moralfreien und überpersönlichen Bereichs der Gefühle. Moralisierung und Psychologisierung wurden von protestantischen Bewegungen (wie dem Pietismus), von der Literatur, den moralischen Wochenschriften und der Philosophie vorangetrieben. Bekanntlich hat Kant mit der "Achtung" vor dem Sittengesetz sogar die Konstruktion eines vernunftgewirkten, transzendentalen Gefühls gewagt (Kant: Kritik d. prakt. Vernunft 1787, A 131-36: "moralisches Gefühl"). Der Prozeß der Verbürgerlichung der Gesellschaft hatte zwei Fronten: die Durchsetzung der Rechtsförmigkeit sozialer und staatlicher Handlungen einerseits, und die Zivilisierung, d.h. die moralische Stilisierung der Gefühle andererseits (mit dem Zentrum im Gefühlshaushalt der Familie). Über beides stellt sich der neue Typ von Sozialordnung her.
 

5. Probleme sozialer und historischer Differenzierung der Gefühlskultur

Aus den historischen Befunden über die Verdeckung und Verdrängung des Leibes und der Gefühle läßt sich indirekt erschließen, als was sie primär zu verstehen sind: Gefühle sind die Tonarten des eigenleiblichen Spürens; man wird ihrer gewahr im unmittelbaren Betroffensein. Gefühle erschließen sich in der Subjektivität. Das setzt nicht den neuzeitlichen Subjekt-Begriff voraus, sondern ist der Begriff davon, daß Gefühle immer und überall von einer/m direkt Betroffenen, jeweilig und spezifisch, gespürt werden müssen. Dies gilt für alle historischen Zeiten, schließt jedoch historische Prägungen und Stile der Gefühle nicht aus. Um den historischen Wandel von Gefühlen und ihres Erlebens zu verstehen, ist man auf Zeugnisse angewiesen, welche lesbar sind als die Spuren dieses am eigenen Leib Gewahrwerdens von Gefühlen. Dabei ist die historische Anthropologie der Gefühle nicht auf schriftliche Quellen des Gefühlslebens vergangener Kulturen eingeschränkt, sondern sie stützt sich auch, sofern der Bezug auf das Spüren am eigenen Leib gewahrt bleibt, auf Musik, Bilder, Filme, Architekturen, Landschaften, selbst auf Dinge und Geräte. Die prinzipielle Subjektivität des Fühlenden heißt nicht, daß Gefühle selbst subjektiv seien. Es war so und wird wohl auch so bleiben, daß es nur ein bergenztes Set von Gefühlstypen gibt, doch in unendlichen Varianten werden sie erlebt, versprachlicht, ausgedrückt, dargestellt. So sind Gefühle einerseits radikal individuell, einzig und unaustauschbar und andererseits sind sie kulturell geprägt, allgemein verbindlich sozialisiert, sprachlich, symbolisch, medial sowie interaktiv und kommunikativ stilisiert oder programmiert, chemisch oder physikalisch erzeugt.

Das verbreitete Mißverständnis, daß Gefühle 'seelisch' seien, widerspricht dem Befund, daß Gefühle räumliche, in sich gegliederte und analysierbare Atmosphären sind, die freilich in Abhängigkeit zu den herrschenden kulturellen Deutungsmustern historisch verschiedene Auslegungen erfahren: als Götter, auratische Strahlungen, mächtige, nicht lokalisierte Einflüsse, Stimmungen von Dingen, Räumen und Landschaften, Tonfolgen, Bildern. Gefühle sind, wiewohl subjektiv gespürt, durchaus objektiv. Dies wird exemplarisch deutlich daran, daß man, selbst in trister Stimmung, einen Raum mit geselliger Runde betritt, in dem man sogleich eine heitere Atmosphäre spürt, ohne selbst unbedingt heiter zu sein oder zu werden. Gefühle sind Atmosphären, die dem Ich entgegentreten, geradezu entgegenschlagen, von denen es angesogen, überwältigt, niedergeschlagen, bedrückt, mitgerissen, emporgehoben, angesteckt, durchdrungen, überströmt u.ä. wird. Darin drückt sich die Mächtigkeit von Gefühlsatmosphären aus, was hier ihre vom Ich unabhängige Objektivität genannt wird.

Der zweite Grund, warum Gefühle wohl subjektiv gespürt werden müssen, ohne selbst notwendig subjektiv zu sein, ist an ihrer transpersonalen Verkettung oder Kontextualisierung abzulesen. Gefühle sind überwiegend regelhaft: wir erwarten, daß jemand, der sein Examen glanzvoll bestanden hat, sich freut; daß jemand, dessen Mutter gestorben ist, nicht fröhlich herumwitzelt etc. Es gibt innerhalb eines homogenen kulturellen Feldes positive und negative Korrelationen zwischen sozialen Situationen und wahrscheinlichen bzw. angemessenen und unangemessenen Gefühlen. Besteht diese Homogenität nicht, kommt es zu Divergenzen. In derselben Situation, bezogen auf denselben Sachverhalt, mag ein Deutscher fröhlich auflachen, während ein Araber beschämt schweigt. Derartige Divergenzen sind auch innerhalb derselben Kultur regelmäßig der Fall: was für ein Kind Anlaß ist, todtraurig zu werden, amüsiert einen Erwachsenen; oder die Angst und der (erhabene) Schauer, die im 18. Jahrhundert im Wald oder auf einem Alpengipfel empfunden wurden, sind uns heute fremd und müssen erst durch hermeneutische Prozeduren nahegebracht werden. Das heißt: sowohl im diachronen (biographischen, historischen) Längs- und im synchronen (intra- wie interkulturellen) Querschnitt wie auch in der sozialen Vertikale (Schichtenzugehörigkeit) und regionalen Horizontale (z.B. Land/Stadt) werden Regeln und Stile des Gefühlslebens ausgebildet ö abgesehen davon, daß jede Einzelsituation von den daran Beteiligten emotional verschieden getönt gespürt wird. Diese außerordentliche Varianz und 'Flüssigkeit' der Gefühle führt dazu, daß man sie für 'bloß' subjektiv hält, eine Meinung, die besonders im Alltagsverständnis verbreitet ist. Doch wird dies auch von Wissenschaftlern vorausgesetzt, die die Erforschung von Gefühlen auf 'beobachtbares Verhalten' beschränken und an Laborsituationen annähern.

Das führt zu neuen Mißverständnissen. Das grundlegendste ist dabei die Voraussetzung, daß man über Gefühle wissenschaftlich nur in Er/Sie-Perspektive (er oder sie ist traurig, heiter...) oder in Es-Perspektive forschen könne (in der Situation xy ist regelhaft das Gefühl Trauer oder Heiterkeit zu erwarten bzw. angemessen/unangemessen). Wissenschaftler haben ein eigenartiges Mißtrauen gegen die einzige Form, in der Gefühle präsent werden: das strikt ich-bezogene Spüren. Dieses Spüren differenziert sich nach zwei Typen aus: 'ich bin traurig' oder 'ich spüre die traurige Atmosphäre rings um mich' (ohne selbst notwendig traurig zu sein). Geht man nicht von dieser strikten Ich-Tonigkeit aus, wird die wichtigste Erkenntnisquelle für Gefühle verstellt, nämlich das präsentische Gewahrwerden. Dieses allerdings gilt der psychologischen oder handlungsorientierten Forschung als nicht wissenschaftsfähig. Die Folge ist: man erforscht nicht Gefühle, sondern deren Dispositionen und Dramaturgien sowie begleitende, beobachtbare 'Anzeichen'. Stillschweigend werden dabei Gefühle zu einer Art black box, deren In- und Output als objektivierbar und somit wissenschaftsfähig erscheint. Man bemerkt nicht, daß damit die Metaphysik der unsichtbaren Seele und die unlösbaren Dilemmata der Ausdruckspsychologie fortgeschleppt werden. Man bleibt dem Visualprimat verhaftet, insofern als erforschbar nur das gilt, was von Gefühlen im Verhalten sichtbar erscheint, während das Spüren, das bis zu Alexander Gottlieb Baumgarten (1750/58) wenigstens cognitio inferiora, bei Herder noch Erkenntnisquelle ersten Ranges war, vernachlässigbar erscheint.

Dennoch gelingen dabei wichtige Erkenntnisse, vor allem solche, die über drei Dimensionen von Gefühlskultur Auskunft geben: 1. über das am Anderen Beobachtete und Erschlossene (er wird rot, also schämt er sich; sie lacht, also ist sie heiter) gewinnt man, was schon Herder die "Semiotik des Seele" und "Semiotik des Körpers" nannte (1784-91/1989, 185). 2. Man erzeugt Verbindungen zwischen sozialen Situationen und bestimmten Gefühlen, wobei diese Korrelationen relativ ständig, also regelhaft und prognostizierbar sind (im sozialen System xy wird sich Subjekt a in der Situation b regelhaft traurig verhalten); 3. Man analysiert die Strukturen der gesellschaftlichen Urteilskraft, die durch normative Verankerung von Adäquatheitsregeln (es ist passend/unpassend, hier und jetzt dies und das zu fühlen) das kollektive Gefühlsleben steuert. Da hierbei ö je nach epistemologischen Vorannahmen ö Gefühle als Elemente des Verhaltens, des sozialen Handelns, der Interaktion oder der Kommunikation angesehen werden, liegen die Einsichten solcher Forschungsstrategien ausschließlich auf diesen Ebenen. Gefühle sind Funktionen beobachtbaren Handelns, dessen Dimension, je nachdem, von biologischen Ausdrucksgebärden über soziale Aktionstypen bis zu symbolisch-sprachlichen Deutungs- und Verständigungsmustern reicht. Notwendig verfahren diese Forschungsstrategien semiotisch: in Beobachtungssituationen werden Indizes oder Zeichen (Informationseinheiten) fixiert, die als Referenten für emotionale Hintergründe im Handlungsspiel einer Gesellschaft interpretiert werden. Das aktuelle Gefühlsgeschehen wird dann mit einem allgemeinen generativen Programm verbunden, das ein Set von überhaupt möglicher Gefühlstypen (zwischen 7 und 11) mit Erzeugungsregeln verbindet. Izard nennt z.B. folgende Gefühlstypen: Freude, Überraschung, Kummer/ Schmerz, Zorn/ Ekel, Angst, Scham, Schuld (Izard, 1981, 271ff). Im nächsten Schritt werden Gefühle auf ein normatives Set von Regeln zweiter Stufe bezogen, die Angaben über die in einer Situation als angemessen angesehenen Gefühle und ihre Expressionen enthalten, sowie mit Regeln auf einer dritten Stufe kombiniert, welche die kulturellen, sozialen und sprachlichen Kommunikationsformen formulieren, in denen Subjekte sich über Emotionen und emotionale Konflikte verständigen können.

Die Chancen dieser ö heute dominierenden ö Forschungsansätze liegen auf der Hand: man hat ein terminologisch und systematisch durchrationalisiertes System von Analyseverfahren, das, je nachdem, die biologischen, interaktiven oder kommunikativen Funktionen von Gefühlen in aktuellen wie historischen Situationen zu erfassen erlaubt. Gefühle, die biologisch oder sozial konditioniert, unwillkürlich und zumindest motivational fixiert sind, werden als Verhalten beschrieben. Diese Chancen wurden nicht erst heute, sondern schon in der baraocken Affektenlehre, der Zeremonialwissenschaft (Rohr 1728/1990) und den Etikettenbüchern genutzt, deren frühe, unübertroffene Vorbilder man bei Castiglione (Il Cortegiano, 1528/1960) und Gracián (El Discreto 1652/1729; Criticon 1657/ 1957) findet, Vorbilder für die Vielzahl von Traktaten zum honnète homme. Stolz ist nicht, wie sich einer fühlt; sondern wenn sich jemand Untergebenen, Gegnern oder Partnern gegenüber so und so verhält, dann gilt die Aussage: er ist stolz. Oder: aus vielen Zeugnissen des 17. und 18. Jahrhunderts können wir die Regel abnehmen, daß bei einer Begegnung von Feldherren nach der Schlacht sowohl der Sieger wie der Besiegte zwei Formen von 'Stolz' demonstrieren werden. Der eine diktiert 'von oben herab' Bedingungen und drückt gleichwohl seinen Respekt aus, daß der andere 'sich tapfer geschlagen' hat; während der Unterlegene Gesten der Unterwerfung vollführt (Übergabe des Degens etc.), ohne doch darauf verzichten zu müssen, seinen noch in der Niederlage 'ungebrochenen Willen und Mut' zu zeigen. Im normativen System der Noblesse, der Ehre, der adligen Standesethik wird wechselseitig das Gefühl des Stolzes zugebilligt und zeremoniell in Szene gesetzt, so daß dem Unterlegenen das Unehrenhafte und Beschämende erspart und somit sein Überleben am Hof, das zentral für seine soziale Identität ist, wenigstens nicht ausgeschlossen wird. Unschwer ließen sich beliebig viele Exempel beibringen, in denen es nicht um derart hochcodierte, öffentliche Szenen geht, sondern um die "Affektlogik" (L. Ciompi 1982) im geselligen bis intimen Austausch in Abendgesellschaften, Freundschaften oder Lieben.

Für eine historische Anthropologie der Gefühle belehrt das handlungstheoretische Modell vor allem über die manifesten Codierungen des Verhaltens, durch die Gefühle in Szene gesetzt werden. Die Theatralisierung von Gefühlen ist für bestimmte Epochen, Situationen, soziale Schichten und Kulturen von höchster Bedeutung ö weswegen umgekehrt das Theater eine Schule, gar ein "Labor der Seele und Emotionen" werden konnte (Ruppert 1995, Kosenina 1995). Für Gruppen, die ö um im Beispiel zu bleiben ö dem Codex des Stolzes fernstehen, wie etwa das Bürgertum, liegt es nahe, die zeremonielle Darstellung von Gefühlen zu diskreditieren. So hat hat die neue, bürgerliche Gefühlskultur (Sauder 1974, Mog 1976) im Zeichen der ihrerseits normativ ausgezeichneten 'Natürlichkeit' und 'Authentizität' der Gefühle den Ausdruck aufgebracht: 'Gefühle zu affektieren'. Bezogen auf die Feldherren heißt dies, daß der Stolz 'bloß' zur Schau gestellt, also theatral sei, nicht aber den verborgenen, wahren Gefühlen entspräche. Die bürgerliche Gefühlskultur lebt von dem Widerspruch zwischen 'natürlichem Wesen' der Gefühle und ihrer 'Larve' und 'Maske', der zugunsten unverstellten Austauschs aufgelöst werden soll. Das Mißtrauen gegen das Affektieren von Gefühlen war nicht nur ein Spitze gegen den Adel, der gerade das distinguierte Spiel mit Emotionen für kultiviert hielt, sondern entsprang auch der prinzipiellen Unsicherheit, daß es keine zweifelsfreien Schlüsse von der erscheinenden Oberfläche auf den Kern des Gefühls im Inneren des Gegenübers gibt ö während doch dieses Innere, zur Erscheinung und in gesellige Form (der Freundschaft, der Liebe) gebracht, der Hort von Humanität sein sollte. Von der Physiognomik über den Mesmerismus bis zur Psychoanalyse und der Emotionspsychologie stehen die Anstrengungen zur Lesbarkeit der Gefühle im Schatten dieser frühen Entscheidung für den empfindsamen Bürger. Gerade weil die theatrale und die gespürte Seite der Gefühle auseinanderfallen geht es darum, das Verhalten zum "Fenster der Seele" werden zu lassen: zum 1 : 1-Abbild von Innen und Außen.

Dieses Ideal konnte und kann nicht aufgehen. Die Literatur schon der Empfindsamkeit zeigt unfreiwillig, daß die Emotionen, wenigstens in ihrer Versprachlichung, bis in die intimsten Nischen und kleinsten Verästelungen codiert sind (Koschorke 1994). Das führt zu dem Paradox, daß die höfische und die bürgerliche Affektlogik sich im vorausgesetzten anthropologischen Dualismus völlig einig sind. In den Schlüssen daraus nehmen sie hingegen entgegengesetzte Positionen ein: die höfische Kultur nutzt den Dualismus, um ein System der Täuschung und Finte, der Verhüllung und Verführung, der Diplomatie und der Manipulation, kurz: ein theatrales und rhetorisches System der Gefühlsspiele zu etablieren. Das Bürgertum entwickelt umgekehrt Techniken des Enthüllens, aber der innigen Lektüre von Gefühlen; Vertrauen und Intimität werden kultiviert, so daß Gefühle gleichsam nackt erscheinen und damit das 'Wesen' der Person anzeigen dürfen. Beinahe alle im Zeitalter des Bürgertums entwickelten Therapien dienen dazu, das unfreiwillige Dunkel und die traumatische Verkerkerung der Gefühle zu lösen und diese ins Licht der frei sich austauschenden Gesellschaft zurückzuführen. Dabei wird unter dem Druck der 'Echtheit' die Stereotypie der Gefühle oft vertuscht. Daß Authenzität immer eine dargestellte ist, möchte der sensible Bürger nicht wissen.

Dieser kulturelle Hintergrund, der überhaupt erst die Rede von der Produktion der Gefühle erlaubt, konnte einerseits zu so extremen Positionen wie der von Kant führen, der jenseits des vorfindlichen Gewimmels von Affekten transzendentale, also welt- und körperlose Gefühle konstruierte, die per se moralisch seien, während andererseits ö im Stil der "Confessions" von Rousseau (1782/87) oder des "Werther" Goethes (1774) ö eine gleichsam vorkulturelle Natürlichkeit von Gefühlen prätendiert wurde, die eben deswegen über eine Herzensmoral verfüge. Dagegen konzentriert sich die moderne Psychologie wieder ausschließlich auf die empirische Seite der Gefühle. In allen vier Varianten (der höfischen, der rationalistischen, der empfindsamen, der empirisch-analytischen) wiederholt sich ungebrochen der anthropologische Dualismus.
 

6. Die Objektivität der Gefühle

Es ist nicht aussichtsreich, Gefühle nach ihrer Objektsphäre einteilen zu wollen, danach also, worauf sie sich richten. Wohl aber gilt, daß alles in Natur und Gesellschaft, vom Konkretesten bis zum Abstraktesten, vom Kleinsten bis zum Größten, vom Belebten bis zum Unbelebten in emotionale Atmosphären getaucht sein kann. Die Alten hätten gesagt, daß die sinnliche Welt, also alles, was in die Wahrnehmung (aisthesis) fällt, immer auch gefühlt wird. Heute wird eher gesagt: alles, was zur Mitwelt oder zur Lebenswelt gehört, ist emotional besetzt. Man kann es auch existenzialontologisch formulieren: Dasein heißt fühlend in der Welt sein. Dies ist aufs kürzeste gebracht, was Heidegger (in "Sein und Zeit", 1927) mit "Geworfensein des Daseins" bezeichnet. Die darin ausgedrückte Passivität läßt sich eindrucksvoll an der Angst und der Sorge verdeutlichen, die für Heidegger Existenzialien sind. Doch gilt dies für das Fühlen überhaupt. Lebendig zu sein und zu fühlen sind so unauflöslich verschweißt, daß dann, wenn wir nicht fühlen, wir lebendig tot sind, Maschinen oder Zombies. Dies geht so weit, daß auch das Denken oder sogar das Gedachte emotional gespürt wird. Seit es Philosophie gibt, die mit dem Staunen ö einem eminent leiblich-emotionalen Zustand ö ihren Beginn setzte, ist bewußt geworden, daß Denken selbst ein Erfahren ist, ein lebendiger Prozeß. Auch Gedanken und Ideen sind gestimmt: als etwa im 18. Jahrhundert die Idee des Fortschritts entwickelt wurde, hieß das zugleich, eine Stimmung zu spüren, die durch Frohgemutheit, schwellende Weite, offenen Horizont, anhebende Bewegung und freundliche Helle gekennzeichnet war. Es gibt hingegen Gedanken, die bedrücken, beengen und beschweren, eine dämmernd niedersinkende Bewegung enthalten, das Lastende des Dasein zu spüren geben und alles in trübes Licht tauchen. Man muß nicht glauben, daß dies bei abstrakten Kognitionen anders wäre; auch mathematische Arbeit ist Gefühlsarbeit und gestimmt. Nur ihre Inhalte sind ablösbar von Gefühlen und darum an Maschinen zu delegieren. Es ist nur scheinbar trivial, wenn es heißt, daß Menschen, insofern sie Logos haben, seiner teilhaftig werden, insofern sie Leib sind und Gefühle haben. Entgegen den modischen Theorien über Künstliche Intelligenz oder über Immaterialisierung des Denkens gilt gerade, daß Leib und Gefühl trennscharfe Kriterien hergeben, welche das menschliche Denken von maschinalen Operationen aller Art unterscheiden.

Die Ausdehnung dessen, was gefühlt wird bzw. worauf sich Gefühle richten, ist nahezu mit den Grenzen der Welt identisch, jedenfalls nicht fixiert, sondern Wandlungen unterworfen und im ganzen wachsend in einem ähnlichen Maß, wie überhaupt die Horizonte der Welt sich erweitern und ausdifferenzieren. Wenn gleichwohl die Korrelationen zwischen Gefühlen und Objektwelten wenig geeignet ist, um 'Ordnung' ins emotionale Leben zu bringen, so nicht deswegen, weil Gefühle subjektiv seien und über Objekte nichts aussagten, sondern weil man eine chaotische Mannigfaltigkeit erzeugen würde. Unter historischen Aspekten freilich gibt es hier ein unerforschtes, doch aufschlußreiches Gebiet. Gefühle gehen am Anderen auf und werden dadurch gelernt. Reine Subjektivität ist eine Hohlform, sie ist leer und abstrakt (wie schon Hegel erkannte). Mag sein, daß es ein evolutionsgeschichtlich erworbenes Set von Gefühlen gibt. Auch dies ist leer und abstrakt. Kulturhistorisch wird es interessant, wenn man das Augenmerk auf Zusammenhänge zwischen Clustern von Objekten, Deutungsmustern und Gefühlen richtet. Man bemerkt dann z.B. daß die antike und alteuropäische Kultur ihr "Alphabet der Gefühle" eng mit den vier Elementen verbunden hat. An den Weisen der Gegebenheit von Feuer, Wasser, Erde und Luft erschloß sich den Alten, was Gefühle sind. Wenn man Wortfelduntersuchungen von Gefühlen unternimmt, bemerkt man, daß bis heute die Sprache der Gefühle erfüllt ist von Ausdrücken, die dem Fluidalen des Wassers, dem Kompakten, Schweren und Verborgenen des Erdigen, dem Schwebendleichten, Beweglichen, Atmosphärischen der Luft, dem Energetischen des Feuers entnommen sind. Natürlich gilt dies nicht für abstrakte Sätze wie 'Ich bin traurig', sondern für die Fälle, wo dieses Traurige näher beschrieben werden soll. Im Hin und Her zwischen Worten und Spüren, in der Suche nach treffenden Ausdrücken geht es dann um differenzierte sprachliche Wiedergabe des Gefühlten. Man bemerkt ferner, daß das Archiv von Gefühlsbeschreibungen in den verschiedenen Sprachen ö ein wahres Universal-Museum der Gefühle ö außerordentlich eng mit dem zweiten und dritten Naturreich, den Pflanzen und den Tieren, verbunden ist. Schließlich sind Wetterphänomene aller Art hochsignifikant für die Phänomenalität von Gefühlen. Besonders alle Ausdrücke, die energeia, dynamis, entelecheia, also die inneren Dynamiken und Entfaltungsformen der Elemente, des Wetters, der Tiere und Pflanzen ausdrücken, haben eine überragende Evidenz für die Artikulation der Gefühle gehabt. Es scheint so, daß Elemente, Wetter, Pflanzen und Tiere dasjenige Andere des Menschen dargestellt haben, woran er seine Gefühle zu buchstabieren gelernt hat. Sie waren das Medium seiner Gefühle. Und natürlich wirkte diese elementische, zoontische und metereotrope Artikulation auf das Fühlen selbst prägend ein. Wer heftig verliebt war, fühlte sich, als die Sprache entsprechende Ausdrücke bereitsstellte, 'entflammt' oder 'stürmisch'. Man kann solche Sprachspuren nicht beiseiteschieben mit der oberflächlichen Behauptung, daß es sich ö gegenüber dem rein Seelischen ö um Metaphern handele. Vielmehr wird man davon ausgehen müssen, daß es innerhalb des langwelligen agrikulturellen Zusammenhangs, der auch die frühe Urbanisierung und die Schriftkultur noch einschließt, eine unwiderstehliche Evidenz des Elementischen und Naturhaften gab, welche die Form und den Ausdruck aller nur möglichen Gefühle bereitstellte. Wenn im 18. Jahrhundert ein physiologischer Cartesianer Gefühle als mechanisch erzeugte, irritabile oder sensible Erregungen der Nerven deutete, oder ein Behaviourist heute in ihnen Reiz-Reaktions-Muster erkennt, so haben solche Deutungen niemals jene tiefgreifende kulturelle Selbstverständlichkeit erlangt, wie sie über die historischen Brüche hinweg die Wetter- und Elementenförmigkeit der Gefühle auszeichnet. Weil mithin zwischen der Gefühlskultur und dem, was dem alten Europa in Elementen und Wetter, Pflanzen und Tieren sowie ihren Kräften als sinnliche Welt galt, ein dichter, fast unauflöslicher Zusammenhang besteht, darum ist dessen Erforschung ein dringliches Ziel für eine historische Anthropologie der Gefühle.

Aus dieser Überlegung geht auch hervor, daß die psychoanalytische Einteilung in ich-zentrierte versus objektzentrierte, also in narzißtische versus objektlibidinöse Strebungen sich nicht als Ordnungsschema für Gefühle eignet. Denn es ist, mit Kant gesprochen, auf das Begehrungsvermögen zugeschnitten, auf libidinös-appetitive Antriebe also, keineswegs aber auf Gefühle, für die Kant nicht ohne Grund ein eigenes Vermögen, das der Lust und Unlust sowie der Urteilskraft reserviert hat. Zwar überschneiden sich Appetenzverhalten und Gefühle, insofern libidinöse Regungen wie auch Gefühle am Leibe gespürt werden. Daß beide zu trennen sind, geht aber schon daraus hervor, daß Hunger, Durst, Wollust u.ä. nicht, wie Gefühle durchweg, in atmosphärischer Räumlichkeit gegeben sind, auch wenn beide im unmittelbaren Betroffensein des Ich ein Gemeinsames aufweisen, das zu Verwechslungen Anlaß geben könnte. Der Grundrhythmus des Daseins, der durch den steten Wechsel von Spannung und Entspannung triebhafter Regungen wie Hunger und Sex gegeben ist, muß unterschieden werden von der Polarität Lust/ Unlust, innerhalb derer Gefühlsatmosphären sich ausdifferenzieren und skalieren. Gefühle ö wie z.B. das der Leere, wie es der Verzweifelte empfindet, die gespannte Bangnis, die im Dämmern einer Landschaft aufkommen mag, die erhebende, ja beschwingende Freude, die ein heiterer Morgen weckt ö: solche Gefühle zeigen den Unterschied, der zwischen Antrieben, die auf die Befriedigung durch die Einverleibung des begehrten Objekts aus sind, und der in unbestimmte Weite ergossenen Räumlichkeit von Gefühlen besteht ö wie Schmitz Gefühle charakterisiert. Wenn Herder (1769/ 1994; 1774-7/1994) für das Empfinden und Fühlen den Gegensatz von Attraktion und Repulsion in Anschlag bringt, so sind diese Begriffe nicht als Triebrichtungen, aber auch nicht physikalistisch zu verstehen (im Sinne der Physik der Kräfte). Vielmehr faßt er damit die leibliche Gerichtetheit von Emotionen, die in den Ausdrücken von Lust und Unlust eher verdeckt ist. Das Atmosphärische der Gefühle muß also nicht richtungslos sein, ist aber von den Richtungen des Triebes zu unterscheiden. Bei letzteren geht es natürlich nicht um die gängige psychologische Rede, die unter "Richtung" dasjenige 'Aus-sein-auf...' versteht, worin die Menge an Objekten bezeichnet ist, die einen Trieb befriedigen, also die Nahrungsmittel für den Hunger, den begehrten Mann für den Homosexuellen, den Peiniger für den Masochisten usw. Hunger etwa äußert sich leiblich im beißenden, spannungssteigernden Zusammenziehen in der Gegend des Magens, das bei Anhalten in den ganzen Leib ausstrahlen kann ö das ist seine 'Richtung', an der sich das 'Aus-sein-auf-Nahrung' zu spüren gibt, ohne daß dabei irgendeine konkrete Nahrung 'intendiert' ist. Im kunstfertigen Hungern, etwa in der Anorexie oder dem heiligen Fasten, kann der Hungernde sich von dieser quälenden Engung losreißen und in ein grenzenloses Weitegefühl von Leichtigkeit und Reinheit geraten. Derartige um leibliche Regungen herum mögliche Raumformen, in denen sich appetitive Begehrungen mit gewaltiger Macht zu spüren geben, sind durchaus etwas anderes, als die Räumlichkeit von Gefühlen, bei der etwa die romantische Sehnsucht ein stilles, bittersüßes, aus einem unbestimmten Mangel in unbestimmte Weite Hinausstreben in einen vagen Erwartungsraum anzeigt; oder wo in unheimlicher Nacht ein Schauern der Haut gleichsam den Leib 'zusammenziehen' und gegen die vage, gleichwohl alles durchdringende Bangigkeit des Dunkels 'abgrenzen' und 'konzentrieren' möchte (vgl. Schmitz 1965, 230ff; 1969,264ff).
 

7. Die Produktion der Gefühle und der Intentionalismus

Die historisch noch zu erforschenden Räumlichkeiten der Gefühle machen aufmerksam auf einen Punkt, der erklärt, warum Gefühle strategisch erzeugt werden können. Atmosphären schaffen, Stimmungen erzeugen ö das heißt: Gefühle regelrecht zu produzieren. Gartenbaukünstler um 1800 wie Christian C.L. Hirschfeld (1779/80) oder Friedrich L. Sckell (1818) wußten dies genau, wenn sie landschaftliche 'Szenen' bauten, die als melancholisch, erhaben, heiter etc. bezeichnet wurden. Der englische Garten hieß nicht umsonst sentimentalischer Garten, denn es galt, eine Stationenfolge von Sentiments, von Gefühlen zu inszenieren: der Besucher schritt eine Topographie seiner eigenen Empfindungen ab. Dies ist nun nichts besonderes. Jeder Architekt im Dienst eines Landes- oder Kirchenherren erfüllte den Bauauftrag erst, wenn mit den funktionalen Erfordernissen zusammen die repräsentativen erfüllt waren. Repräsentation heißt hier, bezogen auf die Affektenlehre des 17. Jahrhunderts, die Umsetzung von Gefühls-Topoi in architekturale Konfigurationen: Macht, die sich darstellen wollte, mußte sich fühlbar einprägen ö und dafür wurde jenes System bau- oder gartenkünstlerischer Rhetorik entwickelt, die eine genaue wirkungsästhetische Einsicht in den Zusammenhang von gestaltetem Raum, Atmosphäre und induzierten Affekten enthielt. Barocke Baumeister, Festkünstler, Komponisten wie Theaterleute waren Spezialisten der räumlichen Inszenierung von Gefühlen. Der Ästhetiker Johann Georg Sulzer (Theorie der Schönen Künste, 1786-7; vgl. Riedel 1994, bes. 429ff) ist, im Bereich der Musik, ein früher Kritiker dieser Raumkunst der Gefühle. Bürgerliche Musik sollte unmittelbarer Herzensklang sein, Sprache der Empfindungen, welche Klang und Seele direkt verkoppelt, unter Umgehung des Raumes. Das gehört zum Introjektions-Schub, der um 1750 einsetzte. Ein Jahrhundert später entwickelte Richard Wagner mit dem Gesamtkunstwerk wieder ein Konzept, in welchem die totale Gestaltung eines Sinnenraumes im Dienst der Fabrikation von Gefühlen stand. Heute sind ganze Berufsgruppen damit beschäftigt, noch die alltäglichsten Räume wie Warenhäuser, Passagen, Wartehallen, Schwimmbäder, Hotels etc. auf Gefühlsqualitäten hin zu inszenieren. Je mehr man von der Räumlichkeit der Gefühle ö und das heißt: von ihrer Objektivität ö versteht, um so höher ist die Kompetenz, Gefühlsräume auch bauen zu können. Gefühle zu erzeugen, heißt Atmosphären in Szene zu setzen (Hauskeller 1995, G. Böhme 1995). Im weistesten Sinn und in allen Medien ist die Geschichte der Theatralisierung zu rekonstruieren als ein anhaltender Versuch, die Räumlichkeit der Gefühle, in welcher sich das Betroffensein am spürbarsten kundtut, strategisch zu nutzen: zwecks Lenkung der Menschen, die immer dann am ehesten in Strategien einzubauen sind, wenn sie von diesen gefühlsmäßig ergriffen werden.

Die Machbarkeit von Gefühlen stellt auch den kulturellen Hintergrund dafür dar, daß Gefühle, welche in der Antike durchweg als ergreifende Mächte erlebt und gedeutet, zunehmend intentionalistisch uminterpretiert wurden. Heinrich Heines Vers: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten/ daß ich so traurig bin." enthält noch recht gut die primäre semantische Leere von Gefühlen. Gefühle bedeuten nichts. Sie intendieren nichts. Und sie werden nicht intendiert. Gefühle betreffen uns und wir finden uns in ihnen vor. Die zivilisatorische Aneignung der Gefühle, die einerseits durch die Introjektion, andererseits durch den zunehmenden Einfluß von psychologischen Deutungsmustern und schließlich durch den Wechsel vom Widerfahren zum Inszenieren von Gefühlen bewirkt wurde ö, diese Aneignung von Gefühlen hatte ihre wachsende Integration in Handlungskontexte zur Folge. Dadurch wurden sie erst semantisch aufgeladen. Die Semantisierung von Gefühlen ist mit ihrer intentionalistischen Deutung verbunden: daß Gefühlen Bedeutung verliehen wird, heißt zugleich, daß sie 'intendiert' sein sollen. Gefühle werden dadurch zu Gefühlsakten (wie Sprech- oder Handlungsakte). Auch wenn zu sehen ist, daß die für Gefühle charakteristische Strömung ö daß sie nicht vom Ich auf ein Objekt gerichtet werden, sondern umkehrt Anmutungen ans Ich darstellen ö hier verkannt wird, so kulminiert in dieser Auffassung ein historischer Impuls der Moderne. Es geht um diese Umkehrung: Gefühle sollen nicht widerfahren, was immer seine Dezentrierung zur Voraussetzung und Folge hat, sondern das Ich soll Zentrum seiner Gefühle sein, indem diese zu von ihm ausgehenden, möglichst bewußten, intentionalen Akte werden. In diesem 'Sollen' drückt sich ein zivilisatorischer Trend aus, der den genannten Prozessen der sozialen Produktion von Gefühlen zugrundeliegt. Philosophen und Wissenschaftler haben ihn in semantischen und intentionalistischen Theorien besiegelt. Gegenüber der gesellschaftlichen Bühne, auf der die Gefühle inszeniert werden, hat sich das Ich als diejenige Instanz zu bewähren, die selbst zum Regisseur seiner Gefühle aufsteigt. In dem Maße, wie die Moderne durch zunehmende Reflexivität gekennzeichnet ist, beobachtet man auch das Vordringen von intellektualistischen Theorien über Gefühle. Sie haben indes die soziale Aneigung und inszenatorische Stilisierung derselben zur historischen Voraussetzung. Gegenüber diesem Trend scheint es ratsam, nach der jahrundertelangen Anstrengung, Herr und Subjekt der Gefühle zu werden und diese zu kommunikativen Akten zu verwandeln, wieder eine Kultur der Gefühle zu entwickeln, in der die ältere, und phänomenologisch triftigere, Erlebnisform wieder zugelassen und eingeübt wird: Gefühle als Mächte zu erfahren, die das Ich betreffen und ergreifen, mitreißen und durchwehen, erheben und niederdrücken, heiß überströmen und zusammenpressen, erschauern und entgrenzen, anziehen und zurückstoßen, überfallen und durchfahren, anrühren und durchschütteln können ö und was es an unendlichen Modifikationen der Grundgegebenheit von Gefühlen noch gibt: in ihnen sind wir dezentriert und gerade deswegen ganz und gar lebendig.

Dazu gehört auch eine Ge-lassenheit, die eine andere Weise in der Zeit zu sein anzeigt. Was Nobert Elias (1936/80) zutreffend als die räumlich und zeitliche ausgedehnte Vernetzung von Handlungsketten beschrieben hat und was von der Systemtheorie als Struktur moderner Gesellschaften bestätigt wird, das steht im Hiatus zum Präsentismus von Gefühlen. Gefühle können, je stärker sie sind, um so eher die Langzeitorientierung des Ich irritieren, wenn nicht außer Kraft setzen. Ein Projekt der Moderne ist es deswegen gewesen, Gefühle zu verstetigen. Tugenden wie Treue, Zuverlässigkeit, Ständigkeit, Verantwortung, Zukunftsorientierung wurden nicht erst von der bürgerlichen Gesellschaft in den Subjekten verankert, um Verstetigungen sozialer wie biographischer Prozesse zu befestigen ö gegenüber der instabilen Fluktuation von Gefühlen im hic et nunc. In den hochindustrialisierten Gesellschaften darf unterdessen vorausgesetzt werden, daß die Verstetigung von Gefühlen durchgesetzt ist. Sie hat nicht nur Temperierung, sondern auch die Verarmung der Gefühle und den Verlust von Präsenz zur Folge. Die verbreiteten Bemühungen, die in Subkulturen ebenso wie im Managertraining zu beobachten sind, nämlich 'wieder an seine Gefühle heranzukommen', verweist auf ein gesellschaftliches Bedürfnis, die Präsenz des leiblichen Spürens aus seiner funktionalen Verkettung zu befreien. Angesichts der subjektinternen wie gesellschaftlichen Rationalisierungsmacht muß dabei nicht mehr, wie im 18. und 19. Jahrhundert, das Chaos befürchtet werden. Die Gesellschaft wäre souveräner und reicher, gehörte das Sich-Überlassen-Können zu den kulturellen Fähigkeiten ihrer Mitglieder.

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