In: Orientierung Kulturwissenschaft. Hamburg 2000, S. 164-178.

Hartmut Böhme

Kulturgeschichte der Technik

Es ist nicht selbstverständlich, daß die Technik und ihre Geschichte ein Gegenstandsfeld der Kulturwissenschaft ist. Wenn man unter Technikgeschichte ein Segment der Geschichte der Naturwissenschaften versteht, die als eigene Disziplin gelehrt wird, dann ist dies auch nicht plausibel. Es ist auch nicht so, daß die Geschichte der technischen Erfindungen und der Technik-Disziplinen (wie der Maschinenbau, das Ingenieurwesen, die Architektur, die Flugtechnik usw.) nunmehr von der Kulturwissenschaft in Anspruch genommen würden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Industrieländer einem technischen Kulturtyp folgen. Technik ist längst nicht mehr ein Subsystem der Gesellschaft, deren übrige Sektoren — z.B. Medien, Verwaltung, Stadtkultur — sich unabhängig von der Technik entwickeln würden. Eher stellt die Technik eine Superstruktur der Gesellschaft dar, will sagen: Es gibt in der Kultur (beinahe) nichts, was nicht technisch verfaßt wäre. Die moderne Kultur ist technomorph, das heißt, ihre wesentlichen Erscheinungsformen sind technisch geprägt.

In einem weniger 'dichten', dennoch grundlegenden Sinn gilt dies auch für die alten Gesellschaften. Man muß daran erinnern, daß 'Kultur' auf lateinisch colere, cultura zurückgeht. In diesem Wortstamm steckt ein eminent technischer Sinn, insofern es allererst um die Entwicklung praktischer Fertigkeiten geht, mit Hilfe derer eine Gesellschaft ihre materielle Reproduktion bewältigt, das meint zunächst die Agrikultur, also die Techniken der Bodenbewirtschaftung und der 'Bebauung' der Erde mit Wohnsitzen und Städten. In diesem Kontext entsteht das Konzept 'Kultur'. Mit ihr ist vor allem 'materielle Kultur' gemeint, also Techniken und ihre Produkte. Bis ins 18. Jahrhundert findet man auf allegorischen Abbildungen die antike Tradition fortgesetzt, wonach die als Frau dargestellte Terra ('Erde') nicht nur Attribute des Feldbaus zeigt, sondern auf dem Haupt einen Mauerkranz als Symbol des Städtebaus trägt. Die 'Fruchtbarkeit' der Erde (der Natur) zeigt sich gerade daran, daß auf ihr menschliche Techniken, also Kultur, 'gedeihen'. Kultur ist hiernach technisch transformierte Natur. Erst davon abgeleitet verstand man auch den religiösen Kultus, die Werte und Normen, die gepflegten Sitten und die Erziehung als Elemente 'symbolischer Kultur'. Cultura animi — die Pflege des Geistes — folgt der cultura agri, dem Ackerbau und seinen Techniken nach (Böhme 1995).

In Europa bestand seit der Antike ein Bewußtsein dafür, daß Kultur primär technisch konstituiert ist. Indem Kulturwissenschaft an eine solche Einsicht anschließt, bricht sie mit der bildungsbürgerlichen Tradition des 19. Jahrhunderts, welche 'Kultur' auf die Sphäre der symbolischen, besonders der sogenannten 'hohen' Kultur, der Künste, der Bildung und des guten Geschmacks einschränkte. Dabei wurde unterschlagen, daß auch die 'hohe Kultur' sich spezifischer Kulturtechniken verdankt. Malerei und Musik, Literatur und Tanz, Oper und Theater setzten ebenso wie der vom Kulturbürgertum gepflegte Wohnstil hochartifizielle Techniken voraus — nicht anders als die Hochöfen oder die Maschinenfabriken, mit denen man das Geld auch für die Erzeugnisse 'hoher Kultur' verdiente. Selbstverständlich teilt eine moderne Kulturgeschichte diese ideologische Zweiteilung von Hochkultur und Technik nicht. Vielmehr behandelt die Kulturwissenschaft die historische Bedeutung der Technik auf vier Ebenen:

1. basale Techniken, welche die Kultur einer Gesellschaft bedingen und erzeugen (kulturkonstitutive Funktionen);

2. kulturepochale Einschnitte und Beschleunigungen durch technische Innovationen (kulturgeschichtliche Funktion);

3. Rückwirkungen der Techniken auf die Menschen, welche diese Techniken benutzen (anthropologische Funktionen);

4. technische Formationen, die spezifische kulturelle Milieus hervorbringen (kulturprägende Funktionen).

Diese vier Dimensionen sollen durch kurze Beispiele erläutert werden. 'Basale Techniken' (1) heißen solche, die für Gesellschaften charakteristisch sind: z.B. die agrikulturellen Techniken in den Ackerbaukulturen wie etwa Züchtung und Veredelung, Erfindung des Pfluges, Einsatz von Arbeitstieren, Vorratswirtschaft (delayed return system) usw. Erreicht eine Gesellschaft ein neues technisches Niveau (2), z.B. durch die Industrialisierung, so wird damit nicht nur eine neue Epoche eingeleitet, sondern 'alte' Techniken werden nach dem neuen Modell umgewälzt: Die Agrikultur industrialisiert sich oder die 'alte' Buchkultur erhält durch die Entwicklung industrieller Drucktechniken eine neues Gepräge. Daß Techniken, die von Menschen erdacht werden, auf diese Menschen zurückwirken (3), mag an zwei Beispielen anschaulich werden: Die Erfindung von Explosivwaffen verändert nicht nur die Kriegsformen, sondern das Verhältnis zum Gegner, zum Töten, zur Aggression; oder die Erfindung von mechanischen und selbstregulierten Systemen 'erzeugt' erst die Selbstdeutung des Menschen nach dem Modell der (kybernetischen) Maschine (Baruzzi 1973). Beispiele für die kulturgeschichtliche Dimension (4) sind: Das technische Ensemble 'Fabrik' erzeugt eine Reihe von kulturellen Milieus, nämlich die Arbeiterschaft samt ihrer Lebensstile und Politiken, die technischen Eliten mit eigenem sozialen Habitus (Ingenieure), die Verwaltungseliten und Ökonomen (Manager und Betriebswirte) sowie die Besitzer, welche im Jahrhundert des industriellen takeoff zu Leitfiguren einer neuen kulturellen Führungsschicht (Krupp, Siemens, Edison u.a.) wurden. Ein anderes Beispiel ist der frühneuzeitliche Bergbau, der überall in Europa eine zwar regional besondere, im ganzen jedoch kohärente Montankultur hervorbrachte, die weit über die Technik und Ökonomie des Bergwerks hinaus auch die religiösen Formen, Werthaltungen, Lebensstile und Festgebräuche aller Beteiligten prägte — mit Unterschieden zur Bauernkultur oder zur Kultur des städtischen Handwerks und des Handels.

Schon in der griechischen Philosophie wurde die Natur (physis), die ihr Dasein mit Notwendigkeit erlangt, von dem unterschieden, was nur der Möglichkeit nach da ist und mithin etwas voraussetzt, was über eine hexis poiétiké verfügt, einen hervorbringenden Entwurf, der allem zugrunde liegt, was nicht von sich aus da ist. In dieser Weise unterscheiden wir noch heute ziemlich treffsicher die beiden Universen technischer und natürlicher Dinge, physis und techné, natura und ars. Wir wissen intuitiv, daß ein Rad, ein Mantel, ein Computer, eine Trense, eine Lampenfabrik, eine Brille, ein Elektrizitätswerk, ein Telefon, ein Tempel unter keinen Umständen 'von Natur aus' da sein können. Und wir wissen ebenso intuitiv, daß wir die Alpen, das Heidekraut, Ebbe und Flut, den Flußbarsch, die Luft, die Sterne, den Kalk, das Moos nicht gemacht haben.

Damit bereits endet die Eindeutigkeit. So führt Platon (im "Timaios") einen Schöpfergott ein (den "Demiurgen"), als habe Gott die Welt wie ein Handwerker (demiurgos) hervorgebracht. Das hieße, daß der Natur ein eidos, eine ideale Form vorausläge, nach welcher der Gott die Schöpfung planvoll verwirklicht hätte. Die Natur wäre dann eine gesetzliche, ja mathematische und mithin schöne Ordnung — also ein Kosmos —, weil ihr ein technischer Modus zugrunde liegt, der zwischen der Schöpfungsidee und ihrer materiellen Vergegenständlichung vermittelt. In der Geschichte der Gottesbilder finden wir immer wieder Vorstellungen, daß Gott ein Handwerker, Geometer, Architekt, Künstler, mechanistischer Ingenieur oder Mathematiker sei, der nach dem jeweiligen technischen Paradigma die Welt konstruiert habe. Heute hätte Gott die beste Chance, wenn er sich als Superexperte für bioengineering ausgäbe, der aus den genetischen Grundformeln das Leben konstruiert. Man lernt daraus, daß die Menschen je nach Stand ihrer technischen Einsichten gerade dasjenige wie eine 'Als-Ob-Technik' interpretierten, was dem Begriff nach nicht-technisch ist: die Natur. Dazu gehört auch, daß wir in den alten Kulturen technische Erfindungen oft nicht den Menschen, sondern den Göttern zugeschrieben finden. So wurde die Kreation der Schrift, wahrhaft eine kulturrevolutionäre Erfindung, bei den Ägyptern dem Gott Thoth zugeschrieben; oder die Schmiedekunst, auf der seit der Bronzezeit die Werkzeugherstellung beruhte, wurde von den Griechen dem Gott Hephaistos attestiert.

Das hat bedeutende kulturhistorische Folgen. Zum einen wurde die Natur insgesamt technomorph gedeutet, was sich langfristig als ein Unternehmen erwies, das göttliche Geheimnis der Schöpfung in die Hand des Menschen zu bringen: Denn dieser verstand sich als Technit, als homo faber; und was von sich aus eine 'Als-Ob-Technik' ist, das würde sich ihm auf Dauer preisgeben. Zum anderen wurden, indem menschliche Techniken — wie die Schrift, die Schmiedekunst, die Schiffahrt — Göttern zugeschrieben wurden, diese Götter nicht nur anthropomorphisiert, sondern umgekehrt auch technische Fertigkeiten vergöttlicht. Im Mittelalter wurde daraus die durchaus noch fromme Formel des homo secundus deus (Rüfner 1955), während im Zeitalter der Mechanisierung z.B. der Automatenbauer zum zweiten Gott und seine Maschinen zu "göttlichen Maschinen" (Sutter 1988) avancierten. Von der Antike bis zur Neuzeit sind der Technit Prometheus, der Ingenieur Dädalos, die Maschinenbauer und Erfinder Heron von Alexandrien oder Archimedes die mythischen Figuren der Technik, die dieser ihren divinen Status oder, modern gesprochen, ihr symbolisches Kapital sichern.

Solche Vorstellungen gehören zur Imagologie der Technik. Damit ist ein Forschungsfeld gemeint, das nicht die Geschichte der technischen Ensembles sowie des Wissens bearbeitet, sondern die "Leitbilder der Technik" (Stöcklein 1969), die technischen Träume und Phantasien, das Wunderbare und Mythische, schließlich die technischen Utopien und die science fiction, die sich seit der Neuzeit eigene Genres schaffen. Das Technoimaginäre ist für eine Kulturgeschichte der Technik nicht nur aufschlußreich, weil in den alten Gesellschaften technische Praktiken vielfach mit dem Sakralen und Religiösen, dem Phantastischen und Traumhaften verbunden waren, sondern weil es bis heute nahezu jede technische Innovation begleitet und in allen Massenmedien einen unermüdlichen Antrieb hat. Man muß nur daran erinnern, welchen Phantasieschub z.B. die legendäre Londoner Ciba-Konferenz der führenden Gen-Techniker (1962) auslöste, die eine paradiesische Welt ohne Krankheit, erfüllt von einer Unzahl dienstbarer neuer Lebewesen (Bio-Maschinen) ausmalten. Oder wie dicht das sogenannte elektronische Zeitalter von technoimaginären Bildern und Rhetoriken teils angetrieben, teils besetzt wird. Für den Kulturhistoriker ist dies ein Normalfall. In Antike wie Neuzeit können wir oft beobachten, daß technische Revolutionen niemals nur ein neues Wissen umsetzen, sondern regelhaft von imaginären und religiösen Energien beflügelt wurden. Nicht selten sind technische Innovationen mit Heilsversprechen eines neues Paradieses verbunden.

Es ist gewiß falsch, wenn man die Technik als die Verwirklichung mythischer Träume deutet (die meisten Erfindungen sind niemals 'geträumt' worden); doch sicher ist auch, daß selbst in die profanen Formen der modernen Technik seit der Neuzeit eschatologische Hoffnungen, millenaristische Utopien und selbstvergöttlichende Größenphantasien investiert wurden (Felderer 1996). Sie sind als solche in einer Kulturgeschichte der Technik ernstzunehmen, genau wie die komplementären Technik-Ängste, die Apokalyptik von technischen Katastrophen und die technikkritischen Bilder untersuchenswert sind, in denen nach dem mythischen Modell des Zauberlehrlings die Populationen der technisch perfekten Maschinen ihre Erfinder, die imperfekten Menschen, epochal überholen oder beherrschen. Seit die 'große Industrie' im 19. Jahrhundert Anlaß gab, in ihr ein monströses Ungeheuer zu sehen, das sich die Menschen unterwirft — schon Karl Marx benutzt derartige Metaphern —, finden nicht nur politisch, sondern auch massenmedial (von Fritz Langs "Metropolis" bis zu neuesten Hollywood-Filmen) pessimistische Technik-Ängste ihren Ausdruck (Sieferle 1984). Philosophisch werden sie oft in der negativ-dialektischen Figur gedacht, wonach die instrumentelle Rationalität umschlägt in eine mythische Beherrschung: als seien die Menschen dem technischen System so unterworfen wie früher der mythischen Natur (z.B. Horkheimer/Adorno 1947, Anders 1956).

Eine der Folgen der griechischen Auffassung des demiurgischen Kosmos, der in Mittelalter und Neuzeit das Konzept der "Natur als Künstlerin" folgte, war die wirkungsmächtige Idee, daß Technik wie Kunst nach dem Vorbild der Natur verfahren würden. Daraus entstand die Theorie der Mimesis, der bildenden Nachahmung, die freilich nicht geeignet war, technische Prozesse, Dinge oder Ensembles angemessen zu deuten. Im ersten Ansehen scheint darin einige Plausibilität zu liegen. 'Kleidung' herzustellen, konnte als Nachahmung der natürlichen Funktionen von tierischer Befellung gelten. 'Wohnungen' zu errichten mochte wie die Nachahmung jener Tiere erscheinen, die Nester oder Bauten anlegten. Feldbestellung wurde als Nachahmung natürlicher Wachstumsprozesse verstanden. Selbst die Montan- und Schmiedekunst wurde vor dem Hintergrund, daß die lebendige Erde in ihren natürlichen Gebärmüttern Edelmetalle (Embryonen) heranreifen läßt, als eine "gynäkomorphe Technik" verstanden (Eliade 1956), welche die prokreative Metallurgie der Terra nachahmt. Bis zu seiner technischen Bemeisterung folgte der "Traum vom Fliegen" (Behringer/Ott-Koptschalijski 1991) weitgehend dem Modell des Vogelflugs, den die Fluggeräte nachzuahmen strebten — von Dädalos über Leonardo bis zu Lilienthal. Auch heute gibt es hochentwickelte Techniken, die erfolgreiche Prinzipien der Natur unter Laborbedingungen simulieren und apparativ kopieren (Stichwort: Bionik). Überall, wo technisches Erzeugen als magische Operation galt, ist vorauszusetzen, daß der 'Techniker' als jemand gedacht wurde, der um die secreta naturae weiß, sie zu beeinflussen und zu nutzen versteht. Bis ins 16. Jahrhundert galten Technik und Magie als weitgehend identisch. Magie aber ist manipulative Mimesis von Naturkräften. Derartige Vorstellungen des technischen Handelns umfassen die zweitausendjährige Geschichte der Alchemie und noch die Anfänge der neuzeitlichen Mechanik, deren Automatenkunst magischen Modellen folgt. Auch die Anwendung medizinischer Techniken hieße, daß der Arzt seine Therapie als Mimesis gesunder Natur anlegt und dadurch im Kranken die Genesungskräfte befördert.

Obwohl Magie und Mimesis über Jahrtausende, vermutlich schon lange vor Beginn der Schriftüberlieferung, das technische Handeln bzw. seine Deutung bestimmten, wird damit die Radikalität des technischen Impulses verkannt. Die Einbettung des Technischen in sakrale Zusammenhänge und das gegenüber der Natur und den Göttern schwache technische Vermögen hatten zur Folge, daß es ein ausdifferenziertes Wissen, ein technisches Paradigma, nicht geben konnte. Technik war eher ein Zauber oder ein religiöses Handeln denn instrumentelle Rationalität im heutigen Sinn — auch wenn es so scheinen mag, daß z.B. bemeisterte mechanische Praktiken sich nach denselben Regeln vollzogen haben wie heute. Für eine "Gesamtdeutung der Technik" (Langenegger 1990) gilt gleichwohl, daß diese nicht nur nicht darauf eingeschränkt ist, Natur nachzuahmen oder magisch zu manipulieren. Vielmehr zielt sie im Gegenteil strategisch auf das, was weder als Ding noch als Prozeß von Natur aus da ist oder sein könnte, wohl aber kraft einer hexis techniké. Merkwürdigerweise hat Aristoteles die Technik strikt von Natur unterschieden, aber zugleich technisches Handeln als Nachahmung der Natur gedeutet. Doch eine Bewässerungspumpe imitiert nicht die Biene, die mit ihrem Saugrüssel den Honig aus der Blüte zieht, sondern sie ist die Vergegenständlichung eines kulturell codierten Wissens und einer konstruktiven Idee, welche den Plan entwirft, wie das Wasser, nach Aristoteles, gerade entgegen seiner natürlichen Bewegung fließen könnte. In diesem Sinn setzen technische Geräte zwar die Kenntnis von Naturgesetzen voraus, imitieren sie jedoch nicht, sondern nutzen sie für künstliche Prozesse, deren Ergebnis (Produkt) in der Natur unmöglich wäre. In diesem Sinn tritt neuzeitliche Technik auf den Plan. In ihrer Frühzeit war sie erfüllt davon, die Natur durch Technik gar übertreffen zu können (perfectio naturae). Natur und Technik traten in Konkurrenz. Die Idee, unter der von Francis Bacon bis René Descartes die Technik gedacht wurde, war klar: Man muß Natur erkennen, um sie zu manipulieren und sich zu ihrem "Herren und Meister" (Descartes) zu machen. Der Bruch mit der Mimesis-Tradition emanzipierte die Technik vom Naturvorbild und begründete die Naturbeherrschung. Das Prinzip 'Erkennen, um zu beherrschen' (das Baconsche Diktum "Wissen ist Macht"), ist strukturell in den technischen Impuls implementiert. Allerdings ließ erst die Neuzeit diesen Zug unverkennbar hervortreten.

Dennoch gilt, daß es keine Technik ohne eine Art Co-Produktivität der Natur geben kann. Dies bedeutet mehr, als daß gegenüber der Technik die Natur insgesamt eine bloße Ressource sei — wie das Öl oder die Kohle für das Kraftwerk. Beim Beispiel der Pumpe sind Eigenschaften des Wassers vorausgesetzt, die innerhalb des technischen Pumpvorgangs wirken, also diesen mit-ermöglichen. Analoges gilt für dramatische Vorgänge, in denen der technische Wille triumphiert, wie bei der gentechnischen Hervorbringung neuer Species. Über diese Co-Produktivität wird gewöhnlich, im Dienst der Selbstermächtigung autonomer Technik, geschwiegen, obwohl jeder Techniker davon weiß. Eine Kulturgeschichte wird, gerade indem sie den kulturellen Konstruktionscharakter der Technik historisch herausarbeitet, auch an deren Grenzen interessiert sein, welche die Abhängigkeit der technischen Ensembles von Natur bestimmen — selbst wenn diese Grenzen sich historisch verschieben (vgl. Kap. III, 2).

Moderne Technik tritt nicht mehr als einzelne Praxis auf, sondern als komplexes soziales System mit weitreichenden kulturellen Folgen. Ihre Wurzel kann man anthropologisch darin sehen, daß der Mensch ein tool making animal ist (vgl. Gehlen 1961a). Werkzeuggebrauch aber ist zur Charakteristik von Technik nicht hinreichend. Schon für vorgeschichtliche Stammeskulturen ist anzunehmen, daß sie über Formen von Kooperation und Arbeitsteilung sowohl in Jagd- wie in Viehhaltungs- und Feldbautechniken verfügten. Diese setzten wiederum symbolvermittelte Verständigung (Sprache und Zeichen) und soziale Institutionen voraus. Erst innerhalb dieser kulturellen Einbettung konnten Werkzeuge und technisches Handeln ihre Funktionen entfalten. Deren Kern besteht zuerst in der Sicherung des Lebensmittelbedarfs und des Wohnens. Dazu gehörte auch die Terrainsicherung und mithin die Kriegstechnik, die nicht jünger sein dürfte als die technisch gestützte Jagd (Leroi-Gourhan 1964/65). Historisch schlossen sich diesen drei Grundfunktionen die Verkehrstechniken an, die von der Bemeisterung des Pferds und der Erfindung des Rads bis zum Flugzeug eine kulturgeschichtlich nicht zu überschätzende Rolle für die kulturelle Eroberung, Durchdringung und Vernetzung des Raums spielten. Alle Techniken setzen Wissen, Kommunikation und Organisation voraus — etwas, was man mit Lewis Mumford (1966—70) eine unsichtbare Maschine nennen kann, die historisch längst entwickelt war, bevor mit dem Fabriksystem die "Megamaschinen" der Moderne auftraten. Mumfords prominentes Beispiel hierfür ist der zehntausende Menschen zu einem integralen Arbeitsvorgang organisierende Pyramidenbau in Ägypten. Spätestens mit den antiken Hochkulturen setzte ferner der Prozeß ein, den man als Entwicklung von Meta-Techniken bzw. als die Bildung von Technologien bezeichnen kann. Dabei geht es nicht nur darum, daß einzelne technische Praktiken eine verwissenschaftlichte Form — ihren 'Logos' — erhalten: wofür die "Zehn Bücher über Architektur" (33-22 v.Chr.) des römischen Bautheoretikers Vitruv ein Beispiel sind. Vielmehr erhalten auch die Erkenntnisformen selbst eine technische Gestalt — in doppelter Hinsicht: (1) Wissenserzeugung ist selbst eine techné (Wissenstechnik); so erhalten einzelne Wissensprozeduren wie das Gedächtnis als ars memorativa eine technische Form. (2) das Wissen ist auf technische Geräte oder Verfahren gestützt (das Kalkül oder die Geometrie ist techné, sie setzen technische Codes voraus); das Experiment und die Beobachtung als Wege der Wissensproduktion werden technisch arrangiert (Labor und Instrumente als Funktionen der Datenerzeugung).

Zur Etablierung von technischen Systemen gehört es ferner, daß die sozialen Kommunikationsformen entsprechend modalisiert werden: das reicht von der Orientierung in der Zeit und der Synchronisierung von Ereignissen (Kalendertechnik) bis zur Technik von Rede und Diskurs (Rhetorik und Argumentationslehre), von der Entwicklung der Schrift- und Bildmedien bis zu den Nachrichtentechniken und Rechenmaschinen, die nicht mehr nur die Expertenkommunikation, sondern heute auch den Alltag ganzer Bevölkerungen organisieren. Einhergehend mit diesen Entwicklungen wurde der Technik-Begriff zunehmend entgrenzt, bis heute nahezu nichts mehr nicht-technisch ist: Wir sprechen von Liebestechnik wie von der Technik der Psychoanalyse, von der Technik des Tennisspielers und der Atemtechnik genauso wie von der Technik einer Rakete oder eines Kunstwerks, einer Autofabrik oder einer Klempnerei. Daran ist einerseits ablesbar, daß die ältere Auffassung noch partielle Gültigkeit hat, wonach Technik aus einer Optimierung und vergegenständlichten Projektion körperlicher Vollzüge hervorgeht, also einer anthropologischen Matrix folgt: das Hand-Werkszeug als gegenständliche, geronnene Vollzugsgesten der Hand. Andererseits wird erkennbar, daß die Technik ein transhumanes, von Einzelwillen wie -körpern unabhängiges, selbstreproduktives System ist oder zu werden droht: Das Auto ist nicht die funktionale Antwort auf ein Bedürfnis nach Bewegungsoptimierung, sondern ein strategisches Dispositiv, das ein ganzes System voraussetzt wie erzeugt: von der Fabrik zum Straßennetz, von der Logistik bis zur Integration einer riesigen Zahl von Sub-Techniken, von der Verhaltenskonditionierung aller Teilnehmer bis zur Verrechtlichung, von der Subsumierung der Städte unter das System Auto bis zu seinen ökonomischen Dimensionen, welche von der Haushaltspolitik des Staates über die Profitpolitik der Industrie bis in die private Ökonomie und den Lebenstil der Nutzer hineinreichen. In diesem Sinn ist das technische Dispositiv 'Auto' eine komplexe, dynamische und extrem festlegende kulturelle Konfiguration.

Diese begriffliche Entgrenzung der Technik wirft Probleme auf für trennscharfe Bestimmungen bzw. sinnvolle Binnendifferenzierungen. Doch hat die Entgrenzung auch einen sachlich-historischen Grund: Immer stärker tritt hervor, daß 'Technik' alles umfaßt, was ein in praktischen Vollzügen objektiviertes Wissen von Funktionen darstellt (Cassirer), die effektiv und zweckrational für beliebige Ziele sind, denen gegenüber der technische Einsatz selbst gleichgültig ist. Aus diesem Grund unterhält die Technik ebenso vitale Beziehungen zur Produktion wie zur Destruktion; und aus demselben Grund ist der menschliche Vollzug von Technik, die Arbeit, ebenso produktive Wertschöpfung wie Vernichtungsarbeit, die auf den Tod der anderen und die Zerstörung von Sachgütern und kulturellen Werten zielt (Clausen 1988). Der modernen, autonom gewordenen Technik gilt dies gleichviel: Eine Atombombe ist, technisch gesehen, ein nicht weniger bewunderungswürdiges System als die Elektrifizierung um 1900. So faßt Cornelius Castoriadis zusammen: "Unter Technik(en) versteht das gegenwärtige Zeitalter sowohl die Fähigkeit, mit Hilfe einer geeigneten Tätigkeitsart, ausgehend von bereits bestehenden Elementen, in angemessener Weise etwas hervorzubringen, als auch die Verfügung über die Gesamtheit zueinander passender, bereits hergestellter Mittel (Instrumente), in denen sich diese Fähigkeit verkörpert. Das heißt, daß die Technik ebensowohl getrennt ist von der Schöpfung [...] als auch von Fragen, die sich auf das Was und das Wozu des so Produzierten richten" (1981, S. 200).

Diese Form von Technik führt dazu, daß sie, ohne je als solches intendiert worden zu sein, zu einem Mega-System, zu einem Technotop geworden ist, das sowohl das Biotop (Natur in mittlerer Größenordnung) wie das Soziotop (die Regulierung zwischenmenschlicher Beziehungen und Handlungen) umfaßt. Das macht die philosophische wie kulturwissenschaftliche Reflexion der Technik ambivalent. Es sind dieselben technischen environments, die Anlaß bieten für die Skepsis, ob die technische Welt sich noch human organisieren läßt, wie auch für den Optimismus, wonach durch technischen Fortschritt sich lebensgerechte Verhältnisse ergeben. Eine strukturelle Ambivalenz liegt in allem Technischen: Man erinnere nur das Beispiel, daß ein Faustkeil ebenso zum Mord wie für die Optimierung von Lebenschancen dienen kann. Es käme nur auf den Menschen an. Doch das Beispiel hinkt, weil ein einzelnes Gerät keinen Aufschluß über die technischen Systeme gibt, die auf allen Ebenen der Gesellschaft implementiert sind. Systemen gegenüber kann man sich nicht so oder so verhalten, weil sie selbst die Optionen für mögliches Handeln determinieren (Ullrich 1979). Das heißt: In einer technischen Gesellschaft ist das Set möglicher Handlungen als immer selbst schon technisch beinahe vollständig vorgegeben. Auch Technikkritiker oder -feinde verhalten sich 'technomorph'. Man kann wählen, kein Auto zu haben, weil man das System 'Auto' für unökonomisch, umweltschädlich, gefährlich etc. hält; aber auch als Fußgänger verhält man sich, bei Strafe des Unfalls, 'autogerecht' — oder wählt ein anderes technisches System der Fortbewegung. Für welches Verkehrssystem auch immer man sich entscheidet: Im Augenblick, in welchem man sich mit ihm verkoppelt — das Flugzeug, das Fahrrad oder die U-Bahn besteigt —, affirmiert man zwangsläufig eine Unzahl von technikförmigen Handlungstypen, die vom System vorgegeben sind. Die Frage einer 'nachhaltigen', nämlich zukunftsfähigen und womöglich sozial gerechten Technikentwicklung ist immer nur relativ zu Lösungen innerhalb des technischen Systems zu beantworten, während dieses selbst ohne Alternative ist. Man kann der technomorphen Verfassung der Gesellschaft so wenig entgehen wie der ihr innewohnenden Ambivalenz ihrer kulturellen und politischen Effekte (Ropohl 1985).

In diesem Sinn ist die moderne Technik radikal. Nicht nur dadurch, daß sie an definitiven Grenzen operiert — wie der Manipulation der DNS (des Alphabets der Gene), der Künstlichen Intelligenz, der sogenannten Nano-Physik, der ultimativen Waffen usw. Sondern sie ist radikal ('von der Wurzel her'), insofern klassische Sektoren der Gesellschaft wie Wissenschaft, Kultur, Lebenswelt, Politik, Verwaltung, Recht nicht mehr 'Umwelten' des technischen Segments darstellen, sondern umgekehrt die technischen Systeme Umwelt wie Inwelt der übrigen sozialen Segmente darstellen. Sie sind 'Umwelt', indem z.B. jenseits der Grenzen der Lebenswelt technische Systeme gelagert sind (etwa die Industrie, das Militär), und sie sind 'Inwelt', insofern Alltag und Lebenswelt bis ins Kleinste von Geräten und Maschinen sowie alltagsstrukturierenden Systemen (z.B. Verkehrssystemen) durchdrungen sind. Insofern sind Versuche, Technikentwicklung womöglich durch Ethik steuern zu können, skeptisch zu beurteilen (Lenk/Ropohl 1987, Hastedt 1991).

Für eine Kulturgeschichte der Technik sind daraus zwei Konsequenzen abzuleiten. Sie wird erstens untersuchen, über welche Stationen der Geschichte die sektoralen technischen Praktiken sich zu Systemen geschlossen haben und wie diese, in der Moderne, wiederum zu einem Mega-System zusammenwuchsen. Hierbei geht es um die Vorgeschichte der 'technischen Kultur'. Historisch rücklaufend ist ferner die Frage interessant, welchen Einfluß grundlegende Techniken oder Technologien auf die Kultur genommen haben.

Um ein Beispiel zu geben: Auf der Grundlage von kulturgeographischen Überlegungen von Ernst Kapp (1845) hat Carl Schmitt (1942) vorgeschlagen, die Kulturgeschichte des vorderorientalisch-mediterranen Raums unter dem Gesichtspunkt zu gliedern, inwieweit Kulturen über das jeweilige Optimum bestimmter, wasserbezogener Techniken verfügten. Schmitt teilt die Geschichte demzufolge in potamische, thalassale und ozeanische Kulturtypen ein, die in dieser Reihenfolge sich historisch ablösten. Die mesopotamische und die ägyptische Kultur bildeten sich als Flußkultur ('potamisch'), indem sie über Techniken der Nutzung und Beherrschung großer Ströme die Grundlage legten für die jeweilige Agrikultur, die Logistik, für eine imperiale Raumachse mit konzentrierten Machtpunkten (flußgelegene Städte) usw. Phönizien, das antike Griechenland der Blütezeit oder Venedig bildeten Herrschaftsräume durch die technische Bemeisterung binnenmeerischer Räume mit entsprechenden mental-kulturellen, ökonomischen, politischen und sogar künstlerischen Effekten. In der Neuzeit wurden die Kulturen führend, welche die ozeanische Raumrevolution mit ihren technisch-logistischen Voraussetzungen am besten lösten (England, Spanien, Portugal, dann Holland, Frankreich). Um diese qualitativ neue Raumdimension zu bewältigen, sind eine Fülle von Sub-Techniken erforderlich wie: Navigationstechniken mit entsprechendem Instrumentenbau und leistungsfähiger Mathematik, Kartographie, Schiffsbau, Waffentechnik, Seekriegsstrategien — und selbstverständlich: ein System von Stützpunkten (Logistik), gesicherte ozeanische Verkehrswege, machtgestützter und technisch effektiver Handel, eine modernisierte Administration im Mutterland usw. Man kann dem anfügen, daß im 20. Jahrhundert nur diejenigen Länder eine Aussicht auf erstrangige Herrschaftspotentiale hatten, welche nicht nur den ozeanischen Raum, sondern, kombiniert mit diesem, die neue Raumrevolution durch Eroberung der Luft und die Eroberung des virtuellen Raums, nämlich durch die Informationstechniken, am besten beherrschten — und durch die Integration vieler Systemtechniken einen Synergieeffekt von einzigartiger Machtkonzentration erzielten (USA). Einer solchen Einteilung der Kulturgeschichte auf Grundlage einer marinen Typologie wäre die Entwicklung terrestrischer Kulturformen mit ihren spezifischen Raumordnungen und technischen Entwicklungsdynamiken beizufügen: Und man bemerkt schnell, daß eine solche Kulturgeschichte eine andere Ansicht der Historie und andere Einteilungen von Epochen erzeugt als etwa die Geschichtswissenschaft oder die Technikgeschichte.

Die zweite, auch nur beispielhafte Dimension, an der die kulturell determinierende Macht einer systemisch gewordenen Technik gezeigt werden soll, ist der Alltag (Joerges 1988, Giedion 1948). Hierbei wird von den sozialhistorisch und politisch bedeutenden Folgen der Einführung technischer Systeme der Produktion abgesehen (vgl. dazu Thompson 1963). Das heutige Privatleben ist auf drei Typen von Maschinen eingestellt: Haushaltsgeräte (Kühlschrank, Rasierapparat, Bügeleisen, Waschautomat, Staubsauger etc.); Kommunikationsmaschinen (Telefon, Fernseher, Radio, Computer, Internet etc.); Verkehrsmaschinen (Fahrrad, Auto etc.). Fast alle diese Apparate sind Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Sie haben nach ihrer Einführung exponentielle Wachstumsraten erzielt und teilweise Sättigungsgrade von über 90 Prozent erreicht. Die Population der Maschinen im Privatgebrauch übertrifft die Zahl der Gesamtbevölkerung von Industriegesellschaften um ein Vielfaches. Hinzu kommt, daß die Wohnungseinrichtung sowie die Häuser selbst technische Produkte sind und weitere Maschinen beherbergen (z.B. Fahrstühle, Gegensprechanlagen, Energieversorgung). Privates Leben muß, um reproduktionsfähig zu sein, zudem an weitere technische Systeme angeschlossen sein: logistische Systeme der Lebensmittelversorgung und Müllbeseitigung, Elektrizitäts- und Gasnetze, Telekommunikationsnetze, Verkehrsnetze (Straße, Schiene, Luft). Zu diesen Systemanschlüssen erster Ordnung kommen solche zweiter Ordnung; damit ist gemeint, daß die das private Leben mitorganisierenden Verwaltungsakte (z.B. Gesundheitssystem, Versicherungen, Gemeindeverwaltung, Tourismus etc.) selbst technische Systeme darstellen. Ein privater Vorgang wie eine ernsthafte Erkrankung schließt jeden Patienten an die High-Tech-Einrichtung des Krankenhauses und die auf mathematischen Kalkülen basierende Krankenversicherung an. Oder: Man muß eine Vielzahl von technisch-maschinalen Prozessen vorausgesetzen, um von der ersten Information in einem Reisebüro bis nach Mallorca zu kommen und zurück.

Jedes Gerät und jedes technische System enthält Codierungen des Umgangs mit ihnen. Sie determinieren mithin Handeln. Und sie verändern Handeln. Das Telefon enträumlicht die mündliche Kommunikation und befreit von der Bedingung der leiblichen Ko-Präsenz. Das Handy steigert und modifiziert diese Effekte noch einmal. Die Koppelung von Handy und mobilem Computer verändert die Weise, wie wir kommunizierend 'in der Welt' sind, weiterhin, da beinahe alle wichtigen beruflichen wie privaten Vollzüge des Lebens losgelöst von jedem Raum/Zeitindex erledigt werden können — bis in bestimmte Formen der Sexualität hinein. Kulturgeschichtlich ist die enorme Vermehrung der Dinge und Geräte, der Maschinen und Systeme im privaten Leben ein wenig erforschtes, doch relevantes Feld (Beck 1995). Denn es ist evident, daß jedes Gerät (sei es ein Stuhl, ein Hammer, ein CD-Player) ein komplettes Programm von Verhalten kulturell implementiert, das gelernt und, da es präskriptiv funktioniert, akzeptiert und internalisiert werden muß — wer dies nicht mitmacht, ist automatisch vom Handlungspotential abgeschnitten, das ein Bügeleisen oder ein Internet-Anschluß eröffnen. Da der Umgang mit technischem Gerät oft automatisiert werden kann (was auch heißt: daß man einem Automaten ähnlich wird), wird die Codierungsmacht von Technik im privaten Leben oft unterschätzt. Privatheit ist aber heute weitgehend nur eine Funktion der in die private Sphäre versenkten technischen Systeme. Von diesem Effekt der Moderne ausgehend, wäre die bestimmende Kraft der Techniken für das Alltagsleben der Menschen für alle Epochen zurückzuverfolgen, um die Dynamik zu verstehen, mit der sie eben nicht nur von Arbeit und Industrie, Wissenschaft und Verwaltung, sondern auch von der Lebenswelt Besitz ergriffen haben.